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19.04.2024, 15:56 Uhr

Urteil im Fall zerstückelter Leiche erwartet

Der Fund zerstückelter Menschenleichen ist selten in Deutschland, stellt der psychiatrische Gutachter Stefan Orlob am Freitag vor dem Landgericht Stralsund klar. Acht bis zehn Fälle gebe es deutschlandweit pro Jahr. Einer davon ereignete sich im vergangenen Herbst in einer Greifswalder Wohnung. Auch nach dem Ende der Beweisaufnahme und vor dem für kommenden Dienstag angekündigten Urteil im Prozess gegen zwei 28-Jährige bleiben Fragen.

Vieles spreche dafür, dass der Körper des 38-jährigen Opfers zerstückelt wurde, um ihn besser abtransportieren zu können, sagte Orlob. Dass hingegen Organe und Organteile teils entnommen und etwa im Kühlschrank untergebracht wurden, passe hingegen nicht. «Da bleibt einiges im Vagen.»

Das gilt auch für die lückenhaften Aussagen des Hauptangeklagten, der sich nach Überzeugung der Staatsanwältin zusammen mit dem Mitangeklagten nicht nur der Störung der Totenruhe schuldig gemacht hat. Laut ihrem Schlussplädoyer sieht sie es als erwiesen an, dass er mit dem späteren Opfer zusammen Alkohol getrunken und dann in einen Streit geraten ist. Er habe mehrmals auf den 38-Jährigen eingeschlagen und ihm unter anderem Zähne ausgeschlagen. Die mehrfachen Verletzungen seien nicht durch einen einzelnen Schlag, wie vom Hauptangeklagten behauptet, erklärbar.

Das Opfer sei über einen Couchtisch gefallen und habe dabei eine Kopfverletzung erlitten. Wegen der Alkoholisierung des Opfers habe der Angeklagte den späteren Tod vorhersehen können. Sie forderte sechs Jahre Haft und eine Unterbringung in einer Alkohol-Entziehungsanstalt.

Der Hauptangeklagte hatte zum Auftakt des Prozesses gesagt, er habe vor der Tat mit dem Opfer Alkohol getrunken und ihn im Streit geschlagen. Nach einem Sturz im Bad sei das 38-jährige Opfer in der Nacht gestorben. Gemeinsam mit dem Mitangeklagten habe er die Leiche zerstückelt. Das bestreitet dieser, was zumindest DNA-Analysen stützen. Laut einem am Freitag vorgestellten Gutachten können Spuren an Messern oder etwa einer Machete neben dem Opfer wahrscheinlich nur dem Hauptangeklagten zugerechnet werden.

Dennoch geht die Staatsanwältin von einer Mitwirkung bei der Zerteilung in mehr als 30 Stücke aus. Zumindest beim Sägen habe er geholfen. Auch sei versucht worden, Teile in der Toilette zu entsorgen. Zudem habe der Mitangeklagte Kontakt zu einem Bekannten aufgenommen mit der Bitte um Hilfe beim Abtransport, was einer versuchten Strafvereitelung entspreche. Für ihn forderte sie vier Jahre Haft.

Vorgespielte Sprachnachrichten zeigten, wie sehr ihn die Situation überforderte. Unentwegt sagte er, «ich hab' kein Plan». Von einer Katastrophe sprach er. Aufgeflogen war der Vorfall, weil der kontaktierte Bekannte anstatt zu helfen, der Polizei Bescheid gegeben hatte.

Der Mitangeklagte hatte gerade erst nach über einem Jahr das Gefängnis verlassen, in dem er unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung gesessen hatte und besuchte noch am gleichen Tag den anderen Angeklagten - und fand dort die Leiche vor. Er habe einen Job in Aussicht, eine Wohnung gehabt und familiäre Anbindung, sagte dessen Verteidiger. Nach Aussage einer Gutachterin war er zudem nach vorhergehender Alkoholsucht lange abstinent gewesen. Dennoch trank er wieder und geriet mit dem Gesetz in Konflikt.

Sein Anwalt forderte auch mit Blick auf die zuvor vielversprechende Ausgangslage seines Mandanten eine Haftstrafe von zwei Jahren, die für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Der Verteidiger des Hauptangeklagten forderte für diesen einen Freispruch. Selbstverteidigung könne nicht ausgeschlossen werden und ohnehin sei vieles zum Tathergang ungeklärt. Auch sein Mandant ist wiederholt vorbestraft und hat ein Alkoholproblem.

Ein Sozialarbeiter schilderte am Freitag, das spätere Opfer habe in der Zeit vor seinem Tod Greifswald verlassen wollen, weil er von zwei Menschen bedroht werde. «Er hat Angst gehabt, das war definitiv», sagte der Zeuge. «Ich habe ihn tausendmal gefragt, er hat nie Namen genannt.»

Der Hauptangeklagte, der lange Zeit bei der Verhandlung zur Seite gedreht mit tief gesenktem Kopf verbrachte, sagte am Ende, er wolle sich bei den Angehörigen des Opfers entschuldigen. «Ich bitte Sie um eine milde Strafe», sagte er mit zittriger Stimme an das Gericht gewandt. Sein Mitangeklagter sagte, er bereue, dass er nicht anders gehandelt habe. Es sei «alles so merkwürdig» gewesen.