Merkel schildert Anfänge und entschuldigt sich bei Alexandra
Rund drei Jahre nach dem Abschied von der großen politischen Bühne hat Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem ehemaligen Wahlkreis in Stralsund ihre Biografie vorgestellt. Sie habe zwar schon viele Reden gehalten, aber eine derartige Lesung sei für sie eine Premiere, sagte die CDU-Politikerin am Freitagabend vor ausverkauftem Haus im Theater Vorpommern. «Es war mir ein Bedürfnis, dass ich das dort mache, wo ich politisch groß geworden bin.»
Zuvor hatte sie das Buch schon in Berlin vorgestellt, allerdings hauptsächlich im Gespräch mit der Journalistin Anne Will. In Stralsund las Merkel anderthalb Stunden aus dem rund 700-seitigem Buch mit dem Titel «Freiheit», das sie zusammen mit ihrer langjährigen Büroleiterin Beate Baumann verfasst hat. Dabei ging es unter anderem um die günstigen Umstände bei ihrer Aufstellung als Bundestagskandidatin.
Busse verhelfen Merkel zur Bundestagskandidatur
Die entsprechende Wahl fand am 27. September 1990 im großen Saal im Haus der Armee in Prora auf Rügen statt. Nach einem ersten Wahlgang hätten Mitglieder des Kreisverbands Rügen, der mehrheitlich hinter einem anderen Kandidaten stand, die Versammlung verlassen. Sie seien sich offenbar schon siegessicher gewesen. Weiter angereiste Kreisverbände aus Grimmen und Stralsund hätten nicht einzeln abfahren können, weil sie mit Bussen gekommen waren. Sie stimmten bei der Stichwahl für Merkel als Kandidatin, die sich knapp durchsetzte. Der Rest ist Geschichte.
Merkel hat danach bei allen acht Wahlen das Direktmandat gewonnen und die Region mehr als 30 Jahre im Bundestag vertreten. 2021 war sie nicht mehr angetreten. Sie war CDU-Chefin und 16 Jahre lang Kanzlerin - die erste und bislang einzige Frau in diesem Amt und die erste Ostdeutsche sowieso. In Stralsund hatte Merkel ihr Wahlkreisbüro. Sie prägte die Stadt etwa durch die Unterstützung großer Projekte wie den Bau der Rügenbrücke oder des Ozeaneums.
Alter Weggefährte: «Natürlich sind wir stolz.»
Unter den Gästen am Abend waren Weggefährten etwa aus der CDU. Der pensionierte Landrat von Nordvorpommern, Wolfhard Molkentin (CDU), der sich 1990 für Merkels Kandidatur stark gemacht hatte, sagte mit Blick auf ihren Werdegang: «Natürlich sind wir stolz.» Eine solche Karriere habe er damals auf keinen Fall vorausgesehen.
Er ließ sich ebenso Bücher von Merkel signieren, wie der ehemalige Landeswirtschaftsminister Harry Glawe oder Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow (beide CDU). Auch Georg Günther, der bereits 2021 erfolglos als Direktkandidat in Merkels ehemaligen Wahlkreis angetreten war und bei der Wahl im kommenden Februar wieder antritt, war unter den Gästen.
Keine Zeit für Alexandra
Merkel las mehrere Passagen unter anderem zu ihrem Leben in der DDR, schwierigen Begegnungen mit Russlands Präsident Wladimir Putin und dessen Hund, erklärte ihre Ukraine- und Flüchtlingspolitik oder berichtete von gegenseitigen Besuchen mit dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush in Vorpommern und Texas. Das Publikum reagierte mit Zwischenapplaus und stehenden Ovationen zum Schluss.
Bei aller Weltpolitik versäumte die Ex-Kanzlerin nicht, sich bei einer Weggefährtin zu entschuldigen, die am Freitag ohne sie auskommen musste - eine Pinguindame im Ozeaneum, für die sie eine Patenschaft innehat. «Ich musste heute eine Einladung von Alexandra ausschlagen. Alle Pfleger von ihr haben's ihr hoffentlich schonend beigebracht.» Dafür trifft sie demnächst Ex-US-Präsidenten Barack Obama zur Vorstellung der US-Ausgabe ihres Buches in Washington.