Der Sozialausschuss hat heute folgende Erklärung einstimmig beschlossen:
Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN und FDP
Entschließungsantrag
zum Expertengespräch
zu aktuellen Mindestmengen-Entscheidungen zu Lebertransplantationen
in der Hansestadt Rostock
1. Der Sozialausschuss stellt fest,
I. dass die Entscheidungen bezüglich der Mindestmengenregelung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) deutliche Auswirkungen für die flächendeckende gesundheitliche und medizinische Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern haben. Beispielhaft dafür stehen der Wegfall des Perinatalzentrums Level 1 in Neubrandenburg seit Ende des Jahres 2022 sowie das drohende Aus für Lebertransplantationen an der Universitätsmedizin Rostock.
II. dass durch getroffene Mindestmengen-Entscheidungen sich die Fahrtwege und -zeiten für die betroffenen Patientinnen und Patienten zum Teil erheblich erhöhen. Davon stärker betroffen sind insbesondere Flächenländer. Am Beispiel Lebertransplantation ergeben sich in Abhängigkeit des Wohnortes künftig Fahrtzeiten von mehr als zwei Stunden.
III. dass die Vor- und dauerhafte Nachsorge durch getroffene Mindestmengen-Entscheidungen massiv beeinträchtigt wird. Bei immer größer werdenden Entfernungen zwischen dem Wohnort der Patientinnen und Patienten und dem jeweiligen Krankenhaus erhöht sich der Aufwand zusehends. Gerade bei Eingriffen, bei denen viele Vor- und Nachsorgetermine wahrgenommen werden müssen, können diese Distanzen aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen maßgebliche Hinderungsgründe darstellen.
IV. dass mit dem Wegfall bestimmter Leistungen weitere Strukturen betroffen sind. Am Beispiel der Lebertransplantationen an der Universitätsmedizin Rostock wären auch negative Auswirkungen auf Organentnahmen zu befürchten, da diese an die Expertise einzelner Fachärztinnen und Fachärzte gebunden ist. Der Verlust des Transplantationsprogramms kann auch einen Weggang von spezialisierten Fachärztinnen und Fachärzten nach sich ziehen und in der Regel ist die Gewinnung von neuen Fachkräften mit der erforderlichen Expertise schwierig. Daher wäre zu befürchten, dass die Anzahl von Organentnahmen sinkt. Die Reduzierung von Kapazitäten würde jedoch maßgeblich den Entwicklungen und Bemühungen auf Bundesebene zuwiderlaufen, die Anzahl von Organspenden zu erhöhen. Weiterhin besteht zwischen der Leber- und Nierentransplantation am Transplantationszentrum der Universitätsmedizin Rostock eine enge Verbindung. Es muss daher befürchtet werden, dass der Wegfall von Lebertransplantation ebenso negative Auswirkungen auf den Bereich der Nierentransplantationen hat, etwa mit Blick auf die Anzahl von Patientinnen und Patienten und dem Verlust von Ärztinnen und Ärzten.
V. dass durch die getroffenen Mindestmengen Entscheidungen die Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten in Mecklenburg-Vorpommern erschwert werden könnte. So würde etwa die Weiterbildungszulassung eingeschränkt. Weitere Nachteile sind bei der Fachkräftegewinnung zu erwarten. Ebenso sind negative Auswirkungen für die Forschung und Lehre zu befürchten. Die Beteiligung an zahlreichen Forschungsprojekten wäre dadurch gefährdet. In der Lehre ist Transplantationsmedizin zudem etwa Bestandteil der Inneren Medizin, der Chirurgie und der Immunologie. Auch hier wären negative Auswirkungen zu befürchten.
VI. mit der Ausdünnung des Netztes der Transplantationszentren geht einher, dass die Gefahr besteht, dass aufgrund der Entfernung Patientinnen und Patienten nicht mehr vorgestellt werden und somit nicht auf den für sie richtigen Behandlungspfad gelangen.
VII. dass Transplantationszentren in anderen Bundesländern trotz Nichterreichung der Mindestvorgaben größtenteils Ausnahmegenehmigungen erhalten haben und mit großer Wahrscheinlichkeit auch weiter erhalten.
2. Der Sozialausschuss appelliert an den zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss, bei der Entscheidung über Mindestmengen und Ausnahmegenehmigungen die besonderen Gegebenheiten der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum und die jeweiligen Strukturen vor Ort stärker zu berücksichtigen sowie weitere Qualitätskriterien einzubeziehen.
3. Der Sozialausschuss bestärkt die Landesregierung in ihren Aktivitäten, Ausnahmegenehmigungen bei den Mindestmengen-Entscheidungen zu erwirken. Darüber hinaus unterstützt der Sozialausschuss Maßnahmen der Landesregierung auf Bundesebene, die eine stärkere Berücksichtigung des ländlichen Raumes bei Mindestmengen-Entscheidungen zum Ziel haben.
4. Der Sozialausschuss bittet die Landesregierung, gemeinsam mit den beteiligten Akteuren zu prüfen, welche Gründe es für den hohen Anteil an Operationen in anderen, insbesondere angrenzenden Bundesländern für die in Rede stehenden Operationen gibt und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen abzuleiten, die die Kliniken in MV ergreifen könnten, um potentielle Patientinnen und Patienten für die Durchführung der Operation in Mecklenburg-Vorpommern zu gewinnen.