Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat heute (28. Januar 2020) mit einer Gedenkstunde der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Anlässlich des gestrigen Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus hatte Landtagspräsidentin Birgit Hesse Abgeordnete und Gäste in den Plenarsaal eingeladen. Ehrengast und Gedenkredner der heutigen Gedenkstunde war Yochanan Ron Singer (Jahrgang 1940), Überlebender der Shoah und Präsident des Weltverbandes der Bukowiner Juden. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung wach zu halten und regelmäßig in Schulen mit Jugendlichen über seine Geschichte zu sprechen. Birgit Hesse hob in ihrer Rede die Zerbrechlichkeit einer demokratisch verfassten Gesellschaft hervor.
Birgit Hesse: „Wir gedenken heute anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz aller Opfer, die in die Tötungsmaschinerie des Nationalsozialismus in Deutschland sowie den von Deutschen besetzten Gebieten gerieten. Wir erinnern an diejenigen, die gepeinigt, inhaftiert und ermordet wurden, weil sie Widerstand leisteten oder die falsche Religion, Hautfarbe, Herkunft oder sexuelle Orientierung hatten. Nie zuvor hat ein Staat in solch einem Ausmaß ganze Menschengruppen systematisch diskriminiert, ausgegrenzt und vernichtet. Juden, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle, politisch Andersdenkende, Wissenschaftler, Künstler und andere Gruppen galten als Feinde, nicht als Mitmenschen, die Respekt und Toleranz verdient hatten. Stattdessen wurden Ängste, Stereotypen und Feindbilder durch die Nationalsozialisten geschürt, sie selbst machten sich zu Herren über Leben und Tod. So fielen alle Menschen, die nicht dem enggefassten Bild der „Herrenrasse“ entsprachen, dem Säuberungswahn eines Regimes zum Opfer, das nichts Menschliches mehr an sich hatte oder hervorbrachte. Dieses Menschheitsverbrechen hat deutlich gemacht, wie zerbrechlich der soziale und kulturelle Frieden in einer Gesellschaft sein kann, auf den wir uns doch Tag für Tag verlassen. Von Täterinnen und Tätern aller Gesellschaftsschichten sind unfassbare Verbrechen begangen worden. Fanatiker, Mitläufer und auch die, die einfach „nur“ wegschauten – alle, Männer und auch Frauen, haben zu dieser schrecklichen Vergangenheit Deutschlands beigetragen. Seit nun 75 Jahren tragen wir alle auch die Verantwortung, gegenüber Feinden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht neutral zu bleiben. Unsere Demokratie ist nicht nur streitbar, sie ist wehrhaft. Dies galt gestern, es gilt heute und wird auch morgen gelten. Wir müssen mit Erschrecken feststellen, dass rassistische und antidemokratische Einstellungen und Haltungen in allen Bevölkerungsschichten vertreten sind. Somit stellt uns der Rechtsextremismus weiterhin vor große Herausforderungen gegenüber unserem demokratischen Rechtsstaat. Wir sind angehalten, uns immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass demokratische Werte und Strukturen das Fundament unseres Gemeinwesens sind, die es zu stärken und zu schützen gilt.“
Während der heutigen Gedenkstunde wurde der Opfer des Nationalsozialismus mit einer Schweigeminute gedacht.
Unter den Gästen der vom Landtag Mecklenburg-Vorpommern ausgerichteten Gedenkfeier befanden sich auch rund 100 Schülerinnen und Schüler aus Rövershagen (Landkreis Rostock) und Schwerin. Schülerinnen und Schüler der Europaschule Rövershagen waren mit Rezitationen in die Gedenkstunde einbezogen.
Seit 1996 gedenkt Deutschland am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte den Gedenktag angeregt. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das deutsche Vernichtungslager Auschwitz.