Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat heute (27. April 2022) mit einer Gedenkstunde der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Aufgrund der Corona-Pandemie hatte die für Ende Januar vorbereitete Veranstaltung nicht stattfinden können und wurde bewusst am Vorabend des israelischen Nationalfeiertages „Jom haSchoá“ nachgeholt. Landtagspräsidentin Birgit Hesse erinnerte in ihrer Gedenkrede an das Leid der Opfer und der sich daraus ergebenden Verpflichtung für die nachfolgenden Generationen. „Wo Parlamente und demokratische Willensbildung ausgehebelt werden, wo sie scheitern, wird Willkür möglich! Das muss unsere Lehre aus der Vergangenheit sein!“, mahnte Birgit Hesse. Deshalb gelte es, jungen Menschen den Wert der Demokratie wie auch deren Zerbrechlichkeit zu vermitteln.
Landtagspräsidentin Birgit Hesse: „Wir erinnern und gedenken heute gemeinsam der Menschen, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden. Menschen, die unvorstellbares und unaussprechliches Leid erfahren mussten. Menschen, die durch eine von Deutschen erdachte und betriebene Todesmaschinerie systematisch um ihr Leben gebracht worden sind. Millionen Menschen in Deutschland, in den damals von Deutschen besetzten Gebieten und zum Teil auch in Regionen weit darüber hinaus wurden regelrecht gejagt, interniert, gequält und getötet. Es waren Menschen, über die sich andere Menschen erhoben hatten, weil die Machtverhältnisse es hergaben. Weil niedere Instinkte gesellschaftsfähig waren. Weil die junge Demokratie der Weimarer Republik von zu wenigen demokratisch Gesinnten gestützt und verteidigt wurde. Weil Menschen mitmachten, wegschauten oder klammheimlich sogar Freude empfanden als der NS-Staat gegen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, politisch Andersdenkende und viele andere immer wieder öffentlich gebrandmarkte Gruppen rigoros vorging.
Indem wir an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern führen wir uns vor Augen, wohin die Abwesenheit von Demokratie führen kann. Auch dies ist Teil der Mahnung der Opfer an uns. Lassen Sie uns dies immer wieder aufgreifen und vor allem: Lassen Sie uns dies den nächsten Generationen vermitteln. Mit jungen Menschen dazu ins Gespräch zu kommen und ihnen den Wert unseres freiheitlich-demokratischen Gesellschaftssystems nahezubringen - das ist für mich eine Kernaufgabe parlamentarischer Bildung. Kinder und Jugendliche hier auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen, ist ein lohnender Ansatz. Wer den Wert der Demokratie schätzen lernt und um deren Zerbrechlichkeit weiß, wird sich für sie einsetzen. So lässt sich sicherstellen, dass nie wieder passiert, was Deutsche einst verbrochen haben.“
Im Anschluss an die Rede der Landtagspräsidentin gedachten die Gäste der Opfer des Nationalsozialismus mit einer Schweigeminute.
Im Rahmen der Gedenkstunde sprach Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ein Grußwort und der Gesandte-Botschaftsrat der Botschaft des Staates Israel, Herr Yaki Lopez, kam per Videobotschaft zu Wort.
Preisträgerinnen des Wettbewerbs „Verfemte Musik“ der Hochschule für Musik und Theater Rostock umrahmten die Gedenkstunde mit Werken des niederländischen Komponisten Dick Kattenburg.
Seit 1996 gedenkt Deutschland am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte den Gedenktag angeregt. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Am israelischen Nationalfeiertages „Jom haSchoá“ gedenken die Menschen in Israel - aber auch weltweit - der Opfer der Schoah.