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Parlamentsforum Südliche Ostsee: Saubere Luft und Nachhaltigkeit im Fokus der Regionalparlamente aus Deutschland und Polen

  • Familienfoto: PSO Expertenanhörung am 12. Mai in Berlin (Foto: Landtag M-V)
  • Die Delegation des Landtages für das PSO und Dr. René Bernitz (links) (Foto: Landtag M-V)

Am 12. und 13. Mai 2025 führte der Landtag Mecklenburg-Vorpommern in Kooperation mit der Vertretung des Landes beim Bund eine internationale Expertenanhörung und eine Redaktionskonferenz des Parlamentsforums Südliche Ostsee (PSO) in Berlin durch. An der zweitägigen Veranstaltung nahmen mehr als fünfzig Abgeordnete der Regionalparlamente aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Westpommern, Pommern, Ermland-Masuren und Mecklenburg-Vorpommern sowie Experten und Gäste teil. Ziel war die inhaltliche Vorbereitung des diesjährigen 21. Parlamentsforums, das sich auf Vorschlag des gastgebenden Sejmiks der Woiwodschaft Westpommern dem Thema „Saubere Luft als Chance für eine nachhaltige Entwicklung im südlichen Ostseeraum“ widmet.

„Saubere Luft ist ein Grundbedürfnis aller Menschen, ein Schlüsselfaktor für die Gesundheit unserer Bevölkerungen und ein zentrales Element einer lebenswerten Region“, betonte zu Beginn der Expertenanhörung die Erste Vizepräsidentin des Landtages und Delegationsleiterin, Frau Beate Schlupp. Die Umsetzung der neuen EU-Luftqualitätsrichtlinie vom 23. Oktober 2024 werde technologische und methodologische Anpassungen und Investitionen sowie eine enge Abstimmung zwischen Kommunen, Ländern und nationalen Regierungen unter Einbindung der Zivilgesellschaft erfordern. Dabei sollten regionale wirtschaftliche Gegebenheiten und Fragen der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigt werden. Die Richtlinie stelle eine regulatorische Herausforderung dar. Sie könne jedoch auch als Chance begriffen werden: für Innovation, nachhaltige Mobilität und gesunde Umwelt in der südlichen Ostseeregion. 

Dies bekräftigte auch die Staatssekretärin für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund, Frau Jutta Bieringer. Die Region der südlichen Ostsee sehe sich mit besonderen Herausforderungen hinsichtlich des maritimen Verkehrs und der Emissionen aus der Industrie- und Landwirtschaft konfrontiert. Die EU-Luftqualitätsrichtlinie könne jedoch neue wirtschaftliche Impulse setzen. Dabei spielten die Zusammenarbeit über regionale und nationale Grenzen hinweg sowie partnerschaftlicher Dialog auf Augenhöhe eine besonders wichtige Rolle. Erster Botschaftsrat und Leiter der Wirtschaftsabteilung der Botschaft der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland, Herr Bartosz Arabik, betonte die entscheidende Bedeutung der internationalen und interregionalen Zusammenarbeit für die Erreichung der Klimaziele. Mecklenburg-Vorpommern unterhalte besondere Beziehungen zu Polen, während Deutschland der wichtigste Handelspartner Polens sei. Er wies jedoch darauf hin, dass die deutsch-polnische Kooperation nicht nur auf den wirtschaftlichen Austausch beschränkt sei. Die Klimaziele stellten für alle EU-Staaten sowohl Herausforderungen als auch Chancen dar. In diesem Zusammenhang betonte Herr Arabik die Relevanz einer klaren politischen Kommunikation für die gesellschaftliche Akzeptanz politischer Maßnahmen. 

Saubere Luft als Menschenrecht und Chance für die Entwicklung innovativer Konzepte 

Existierende Schadstoff-Grenzwerte in Europa hätten bereits ihre Wirkung gezeigt, unterstrich Frau Anna-Lena Franke, Senior Expert EU Politik bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die neuen EU-Grenzwerte bis 2030 seien mit Blick auf Gesundheitsempfehlungen der WHO und weitere Kriterien revidiert worden. Betrachtet wurden dabei folgende Punkte: Machbarkeit, Kosten, Bruttonutzen, Nutzen vs. Kosten und gesundheitliche Auswirkungen. Um die Chance, die sich aus der sauberen Luft für eine nachhaltige Entwicklung ergebe, nutzen zu können, sei es erforderlich, die WHO-Empfehlungen als verbindliches Ziel schnellstmöglich zu setzen. Um die aktuellen Herausforderungen zu meistern, sei eine umfassende Reduzierung der Emissionen von Feinstaub, Stickoxid, Schwefeldioxid, Ammoniak und Methan in sämtlichen Sektoren unerlässlich. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Luftreinhaltepolitik auf allen Ebenen – international, national, regional und lokal – simultan adressiert werde.

Luftverschmutzung – insbesondere durch Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid – sei für vier bis neun Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr weltweit verantwortlich, wie Herr Dr. Volker Matthias vom Institut für Umweltchemie des Küstenraums am Helmholtz Zentrum Hereon berichtete. Die emittierten Stoffe stammten aus der Natur, der Landwirtschaft, dem Verkehr, dem Energiesektor, der Industrie und den Haushalten. In Deutschland sei der Verkehrssektor für den Großteil der Feinstaub- und Stickstoffoxid-Emissionen verantwortlich. Der Langzeittrend von Feinstaub und Stickstoffdioxid zeige jedoch eine absteigende Tendenz, ebenso wie die Ozonwerte. In der Ostsee- und Nordseeregion stellten Schiffsemissionen eine signifikante Schadstoffquelle dar, wobei Hafenstädte eine besondere Belastung erfahren würden. Die Dekarbonisierung werde in Zukunft zu einer weiteren Reduzierung von Luftschadstoffemissionen führen. Dabei würden neuartige Treibstoffe wie Methanol und Ammoniak neuartige Emissionsmuster verursachen; auch andere Schadstoffe wie ultrafeine Partikel, Ruß und Mikroplastik müssten beachtet werden. Im Ostseeraum habe sich die Luftqualität im Laufe der letzten zwei bis drei Dekaden deutlich verbessert. In Hafenstädten sei jedoch mit Überschreitungen der Grenzwerte für saubere Luft zu rechnen. 

Darauf anknüpfend erläuterte Frau Annika Fitz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) die Entwicklung von Transformationspfaden für die Ostseeschifffahrt und verwies eingangs auf die entsprechenden Forderungen des Ostseeaktionsplans (Baltic Sea Action Plan, BSAP) zur Reduktion von Schadstoffen und Unterwasserlärm. Obwohl es nicht an Technologien mangele, bestünden dennoch große Unsicherheiten in Bezug auf die Implementierung dieser Technologien in der Schifffahrt. Diese Unsicherheiten würden die Leistungsfähigkeit, Treibstoffversorgung und die regulatorischen Vorgaben betreffen. Frau Fitz empfiehl die Entwicklung ganzheitlicher und koordinierter Strategien – wie z. B. die Einrichtung grüner Korridore – für die Transformation des Ostseeraums. Die Optimierung der Kommunikationsschnittstellen und Planungsinstrumente für die Schiffsflotte und Häfen berge ein beträchtliches Einsparpotential. Künftig werde es entscheidend sein, Angebot und Nachfrage in den Häfen effektiv zusammenzuführen und die Sektoren zu koppeln. In diesem Zusammenhang sei die Unterstützung von Forschungseinrichtungen durch verbesserte Datensammlung, -verfügbarkeit und -austausch zwischen den beteiligten Akteuren von entscheidender Bedeutung.

Lokale Erfahrungsberichte: Luftmanagement in polnischen und deutschen Regionen

Traditionsgemäß berichteten die eingeladenen Expertinnen und Experten der Partnerparlamente über konkrete Maßnahmen und Erfahrungen auf regionaler Ebene. So referierte Frau Aneta Trybuchowicz von der Umweltschutzabteilung des Marschallamtes der Woiwodschaft Westpommern über die Herausforderungen und Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung in Westpommern. Das bestehende Luftqualitätsmanagementsystem der Woiwodschaft beinhalte derzeit den Antismogbeschluss, das Luftschutzprogramm und weitere kurzfristige Pläne sowie eine Reihe von Beschlüssen des Sejmiks. Das Inkrafttreten der neuen EU-Luftqualitätsrichtlinie werde weitere Schritte zur Umsetzung von umfassenden Anforderungen erforderlich machen. Zu den laufenden Maßnahmen zähle zum Beispiel das Programm „Saubere Luft“, das darauf abziele, CO2-Emissionen zu reduzieren. Im Rahmen des Programms „Wärmere Wohnungen“ würden alte Heizungen durch energieeffizientere Heizungsanlagen ersetzt. Die Energietransformation sei ein komplexer Prozess, daher arbeite das Marschallamt eng mit der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft zusammen. Die EU-Förderungsmechanismen könnten wichtige Impulse für innovative Projekte geben. Westpommern sei eine von vier polnischen Woiwodschaften, die Strom aus erneuerbaren Energien produzierten. In Westpommern werde mittlerweile mehr Strom aus Erneuerbaren produziert als in anderen Regionen Polens. Zur Förderung der emissionsfreien Mobilität würden neue Konzepte für den Ausbau von Radwegen entwickelt. Ein Schwerpunkt liege dabei auf der Verbesserung der Erreichbarkeit von Bahnrouten mit dem Fahrrad. 

Frau Anna Skwarska von der Abteilung für Umwelt und Landwirtschaft des Marschallamtes der Woiwodschaft Pommern warf einen Blick auf die bevorstehenden Aufgaben auf dem Weg zur erfolgreichen Energiewende in Pommern. Eine Analyse der Schadstoffwerte zeige, dass die Konzentrationen von Feinstaub, Benzo(a)pyren sowie möglicherweise Stickstoffdioxid die Grenzwerte der neuen EU-Richtlinie überschreiten würden. Die Lösung lege in der Modernisierung und Dekarbonisierung des Heizungssektors, verbunden mit der Notwendigkeit, den Energiebedarf von Gebäuden zu senken und diese mit billigerer und umweltfreundlicher Energie zu versorgen. Es sei unvermeidlich, dass Investitionen in die thermische Modernisierung und den Austausch von Heizungsanlagen hauptsächlich von Privatpersonen getätigt werden müssten. Zusammen mit den bestehenden Bestimmungen zur schrittweisen Abschaffung von emissionsstarken Heizungen spielten daher Informations- und Aufklärungskampagnen eine wichtige Rolle. Analysen hätten gezeigt, dass eine bessere Luftqualität zu realen Einsparungen für jede Gemeinde sowie für jede Bürgerin und jeden Bürger führe. Zudem werde bereits jetzt 65 Prozent des Energiebedarfs der Region durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt, vor allem durch Onshore-Windkraft. Damit liege die Region deutlich über dem polnischen und europäischen Durchschnitt. Auch Pommern plane, Investitionen in die Förderung grüner Mobilität zu tätigen. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Energiewende ein schwieriger, komplexer und kostspieliger Prozess sei. Die damit verbundenen Kosten seien zwar erheblich, es seien jedoch Investitionen in die Zukunft, unterstrich Frau Skwarska

Vonseiten des Sejmiks der Woiwodschaft Ermland-Masuren erläuterte Herr Tomasz Zalewski vom Regionalen Umweltamt in Olsztyn das System zur Überwachung der Luftqualität in der Woiwodschaft und führte die Ergebnisse der entsprechenden Analyse aus. Die größte Gefahr für die Bewohner des Gebiets gehe von der Luftverschmutzung durch Feinstaub sowie Benzo(a)pyren aus, die hauptsächlich aus dem kommunalen und Haushaltssektor stammten. Die durchschnittlichen Jahreskonzentrationen von Feinstaub und Benzo(a)pyren nahmen an allen Messstationen in der Woiwodschaft systematisch ab. In Kreis- und Gemeindestädten der Woiwodschaft seien jedoch hohe Feinstaubkonzentrationen insbesondere in den Wintermonaten gemessen worden. Zu den langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von Benzo(a)pyren gehörten Beeinträchtigungen des Atmungs- und des Kreislaufsystems sowie eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die aktuellen Maßnahmen in Ermland-Masuren fokussierten sich daher derzeit in erster Linie auf die Reduzierung von Emissionen aus dem kommunalen und dem Haushaltsbereich, um die hohen Schadstoffkonzentrationen zu adressieren.

Die Ergebnisse der Luftqualitätsanalysen sowie langjährige Trends für Mecklenburg-Vorpommern stellte Herr Dr. René Bernitz vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) vor. Diese basierten auf Daten des Luftmessnetzes MV, das 2024 insgesamt siebzehn Messstationen mit kontinuierlich arbeitenden Geräten zum Monitoring von Stickoxiden, Schwefeldioxid, Ozon, Kohlenmonoxid und weiteren Luftgüteparametern umfasste. Im vergangenen Jahr habe Mecklenburg-Vorpommern sowohl die Anforderungen der Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa 2008 als auch die strengeren Grenzwerte gemäß der neuen Richtlinie aus dem Jahr 2024 erfüllt. In Bezug auf Stickoxide, Ozon und die Feinstaubfraktionen bestehe jedoch Handlungsbedarf. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Feinstaub und Stickoxide zum Teil anthropogenen Ursachen zuzuordnen seien. Über 50 Prozent der Feinstaubpartikel in der EU entstünden durch den Energieverbrauch. Knapp 40 Prozent der Stickoxidemissionen würden dem Straßenverkehr zugerechnet. Um die Luftqualität in Zukunft zu verbessern, könnten folgende Maßnahmen ergriffen werden: die Reduzierung der Verbrennung fossiler Brennstoffen oder Biomasse, die Verminderung von Schiffsemissionen durch Landstromversorgung, der Ausbau vom Öffentlichem Personennahverkehr und die Elektrifizierung des Verkehrs sowie die Erhöhung und Erhaltung grüner Räume. 

Auf dem Weg zum 21. Parlamentsforum 2025

Die Expertenanhörung legte die Grundlagen für die inhaltliche Vorbereitung der gemeinsamen Forderungen an die nationalen und regionalen Regierungen und Organisationen im südlichen Ostseeraum. Während der Redaktionskonferenz fand ein intensiver Austausch zwischen den Abgeordneten über den Resolutionsentwurf statt. Die gemeinsame Resolution soll im Konsens aller Mitgliedsparlamente während der Jahreskonferenz beschlossen werden. 

Vom 28. bis 30. September findet das 21. Parlamentsforum Südliche Ostsee in Stettin statt. 

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