Das erste Schweriner Schlossgespräch im Landtag Mecklenburg-Vorpommern seit langer Zeit beschäftigte sich am 3. Mai 2022 mit der Frage „Was ist das denn? Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern und wie ein archäologisches Landesmuseum die Regionen von MV voranbringen kann.”
Was ein Archäologisches Landesmuseum braucht
Ein gefletschtes Spalier aus langen, scharfen Zähnen. Darüber listige Augen. Der Fenriswolf ängstigte die Götter in Asgard. Darum bändigten sie das Untier mit der magischen Fessel Gleipnir. Zwerge hatten den einfachen Faden aus allem gemacht, was es nicht gibt: wie aus Stimmen der Fische, Bärten der Frauen und Wurzeln der Berge. Fenris war gefangen. Aus Wut biss der Wolf allerdings Tyr, dem Gott des Krieges, die Hand ab, die dieser als Vertrauenspfand in dessen Maul gelegt hatte.
Unzählige archäologische Funde aus Mecklenburg-Vorpommern erzählen die Geschichte vom Fenriswolf aus der nordischen Mythologie. Gürtelschnallen, Fibeln, Pferdegeschirre – das Archäologische Archiv des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege (LAKD) in MV beherbergt eine der ältesten Sammlungen Deutschlands. Die Experten der Einrichtung bewahren, katalogisieren und verleihen die archäologischen Fundstücke an Museen. Etwa 300 dieser Objekte erzählen im Moesgaard Museum im dänischen Aarhus mecklenburgische und vorpommersche Geschichte.
Funde und Archiv
„Die Schlacht im Tollensetal ist eine der ältesten bekannten Schlachten der europäischen Geschichte. Deren archäologischer Fundplatz befindet sich im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Wir hüten eine Menge solcher Schätze, um die uns andere beneiden. Darum brauchen wir einen würdigen Ort, an dem wir der Welt unsere Schätze zeigen. Die vor 30 Jahren entstandene Idee eines Archäologischen Landesmuseums erscheint recht jung, angesichts von 12.000 Jahren Landesgeschichte”, sagt Roland Methling, Vorsitzender des Freundeskreises Archäologisches Landesmuseum e.V. und ehemaliger Bürgermeister von Rostock.
Im Christinenhafen der Hansestadt soll das Ausstellungshaus als massiver Kubus voraussichtlich nach der Bundesgartenschau 2025 in die Warnow hinein errichtet werden. Kosten des Neubaus: 55 Millionen Euro, das Land gibt 40 Millionen und die Stadt Rostock 15 Millionen. Die Eröffnung ist 2030 anvisiert.
„Wir müssen jetzt mit den Vorbereitungen anfangen”, erklärt Carsten Schmoldt. Der stellvertretende Vorsitzende des Freundeskreises führte in einer visuellen Zeitreise zu verschiedensten Fundstücken in und durch die Geschichte von MV: ein Schiffswrack aus dem Jahr 1180, das in der Wismarer Hafeneinfahrt unter zwei weiteren Wracks gehoben wurde, 1.700 Jahre alte Schmuckschnallen aus den Hagenower Fürstengräbern, Hirschgeweihmasken aus Hohen Viecheln und Funde aus der slawischen Burg am Kap Arkona.
Ehrenamtliche und Begeisterung
„Wir besitzen eine tolle Geschichte und tolle Funde”, sagt Birgit Hesse, Präsidentin des Landtages MV. Darunter auch ein seltenes Bischofssiegel aus dem 13. Jahrhundert, auf das ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger im vergangenen Jahr bei Klütz stieß. Etwa 200 ehrenamtliche Indiana Jones suchen, analysieren und pflegen die Bodendenkmäler des Nordostens.
„Schon als Lütte suchte ich gern nach Schätzen. Als Erwachsener erkenne ich ihre Geschichte und Bedeutung. Sogar unsere alten Adelsgeschlechter sind mit der Entstehung der Königshäuser des Nordens verwickelt”, sagt Bodendenkmalpfleger Carsten Schmoldt.
Das Herzblut und Potenzial der Ehrenamtlichen befördert jedes Jahr neue archäologische Funde ans Tageslicht. „Wir erkennen den Einsatz und das Sammlerherz wahrhaft an, wenn wir diese Schätze endlich in einem Archäologischen Landesmuseum zeigen. Der Erfolg des Museums führt über menschliche Beziehungen zu den Funden. Zum Beispiel mittels einer Fundpatenschaft für aktuelle Ausstellungen und natürlich indem wir die Geschichten zu den Objekten erzählen”, erklärt Landesarchäologe Dr. Detlef Jantzen.
Geschichte und Mythologie
„Ehrenamtler sind zwar das Rückgrat eines Museums, aber jedes Ehrenamt benötigt auch ein starkes Hauptamt. Sie brauchen ein schlagkräftiges Team mit internationaler Erfahrung. Eine Voraussetzung besitzen Sie in MV schon: Sie setzen mit dem Archäologischen Landesmuseum eine Perle in eine funktionierende touristische Landschaft”, meint Dr. Heidrun Derks vom Museum und Park Kalkriese – Varusschlacht im Osnabrücker Land aus ihrer Erfahrung.
Sogar die fachliche Basis besteht. Seit 2017 gibt es den Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Rostock. Das Archäologische Landesmuseum könnte als Labor für Studierende fungieren. Hier können die angehenden Historiker Ausstellungen kuratieren und das Museum weiterentwickeln. „Ehrenamtler, Funde, Geschichten, ein Archiv und Begeisterung. Wir haben alles. Nur das Archäologische Landesmuseum fehlt”, sagt Carsten Schmoldt vom Freundeskreis.
Und solange der Fenriswolf gegen seine Fesseln kämpft, solange wird sich auch der Freundeskreis für das Archäologische Landesmuseum stark machen.