An 1.159 Stätten in 167 Ländern prangt die Weltkulturerbe-Plakette der UNESCO. Im Jahr 2024 könnte die Landeshauptstadt Schwerin die Liste mit ihrem Residenzensemble bereichern und in einer Reihe mit Kulturdenkmälern aus Paris, London und Budapest stehen. Das zeigt ein Blick in die internationale Vergleichsanalyse von Bauhistoriker Dr. Paul Sigel, die er am 6. September im Innenhof des Schweriner Schlosses im Rahmen der Veranstaltungsreihe "AufgeSCHLOSSen" präsentierte.
Als Zeugnis absoluter Herrschaft imponiert die größte Palastanlage Europas – Versaille in der Nähe von Paris. Der Tower of London verteidigt seinen Ruf als berühmteste Festung des Planeten – neben drei weiteren Welterbestätten in der britischen Hauptstadt. Und die Krönung Karls V. zum deutschen Kaiser beeindruckt in der 600-jährigen Geschichte der Königskrönungen im Aachener Dom. Das Schweriner Residenzensemble tritt den Vergleich mit historisch bedeutenden Orten der Macht an.
„Unser Ensemble ist einzigartig, deshalb können wir selbstbewusst sein, egal wie die Entscheidung im nächsten Jahr ausgeht”, sagte Landtagspräsidentin Birgit Hesse. Mit dabei sind Schwerins Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier, der Vorsitzende des Welterbe Schwerin Fördervereins e. V. Joachim Brenncke und der Bauhistoriker Dr. Paul Sigel. Der Vortragsabend zum aktuellen Stand der Welterbe-Bewerbung im Innenhof des Schweriner Schlosses startete die Kulturreihe „AufgeSCHLOSSen”. Zwei Musikerinnen des Jugendsinfonieorchesters (JSO), Botschafter des Schweriner Erbes, begleiteten den Abend musikalisch.
Die Landeshauptstadt bewirbt sich mit ihrem mehr als 200 Jahre gewachsenen Residenzensemble der mecklenburgischen Großherzöge um den Welterbestatus. Im Mittelpunkt der komplexen Infrastruktur mit insgesamt 38 Objekten stehen das Schloss mit seinen umgebenden Gärten und Parks, der Dom, die Regierungsgebäude, das Mecklenburgische Staatstheater, das Staatliche Museum, mehrere Stadtpalais und herzogliche Kasernen sowie Häuser von Hoflieferanten.
Wie stark das Ensemble auf die Unesco-Vorgaben zum Welterbe einzahlt, verdeutlicht in der Bewerbung um den Titel der Outstanding Universal Value (OUV), wie Kunst-, Architektur- und Städtebauhistoriker Dr. Paul Sigel erklärt. Der zentrale Wert beschreibt die außergewöhnliche universelle Bedeutung des Ensembles für die Welt. Diese Bedeutung muss die Landeshauptstadt anhand von festgelegten Kriterien wissenschaftlich vorlegen und begründen.
Warum ist Schwerin ein Musterbeispiel für Zentrum und Ausdruck politischer Macht? Beispielsweise zeugen das besonders gut erhaltene architektonische Ensemble in verschiedenen Baustilen sowie in seiner Architektur Dr. Paul Sigel zufolge von der untergegangenen Monarchie in Form des Hauses Mecklenburg Schwerin. Diese Tradition ist noch heute an den zahlreichen Monogrammen, Wappen oder Symbolen erkennbar, wie der Spezialist an verschiedenen Beispielen verdeutlicht. Etwa an der Niklot-Statue im Schloss, an der Grablege in der Schelfkirche und dem Dom. Auch das original erhaltene Thronappartement bestehend aus Thronsaal, Ahnen und Schlössergalerie steht für den monarchischen Wohnsitz und gleichzeitig als Denkmal der Dynastie.
Wird Schwerin im Jahr 2024 Weltkulturerbe? Das „Residenzensemble Schwerin“ befindet sich auf dem Weg zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbe-Liste in der finalen Phase. Noch zweimal darf die Landeshauptstadt ihr Bewerbungsdossier bis Februar 2024 nacharbeiten – obwohl das 250-seitige Papier bereits seit Monaten bei der Unesco in Paris vorliegt. Ein übliches Verfahren wie das Beispiel Darmstadt zeigt: Mit rund 300 Seiten Ergänzung errang die Stadt im Juli 2021 das Qualitätssiegel für seine „Mathildenhöhe”. Ob das Schweriner Residenzensemble der mecklenburgischen Herzöge den Ansprüchen genauso genügt, kontrollierte ein Gutachter der Unesco bei seinem Sommerbesuch in der Landeshauptstadt. Die endgültige Entscheidung wird voraussichtlich im Sommer 2024 gefällt.