BSPC-Arbeitsgruppe tagte in Stockholm: Nachhaltiger Transport und widerstandsfähige Energiesysteme
Am 16.–18. März 2025 fand in Stockholm, Schweden das fünfte Treffen der Arbeitsgruppe für Energiesicherheit und -unabhängigkeit, Resilienz und Konnektivität der Ostseeparlamentarierkonferenz (Baltic Sea Parliamentary Conference, BSPC) statt. Neben den Abgeordneten nationaler und regionaler Parlamente aus neun Ostseeanrainerstaaten nahmen der Abgeordnete Philipp da Cunha als stellvertretender Arbeitsgruppenvorsitzender und die Erste Vizepräsidentin Beate Schlupp auf Einladung des schwedischen Riksdag an der Sitzung teil. Im Fokus der Gespräche mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik standen die Entwicklung von nachhaltigen Land- und Seeverkehrslösungen sowie der Schutz kritischer Infrastruktur im Kontext wachsender geopolitischer Unsicherheiten.
Innovationen im Transport und Verkehr für die nachhaltige Entwicklung
Im Vorfeld der Verhandlungen über Handlungsvorschläge für die Resolution der diesjährigen Ostseeparlamentarierkonferenz unternahmen die Arbeitsgruppenmitglieder eine Reihe von Ausflügen, um mit relevanten Interessenvertreterinnen und -vertretern vor Ort ins Gespräch zu kommen.
Beim Besuch der Königlichen Technischen Hochschule (KTH) machten sich die Abgeordneten mit innovativen Projekten in den Bereichen Transport und Energieinfrastruktur vertraut. Die Innovationsförderungsstrukturen der KTH seien international anerkannt und erlaubten es den Mitarbeitenden, mit Ideen und Forschung Nutzen und Wirkung zu erzielen, indem das Eigentum an der Innovation bei den Forschenden selbst und nicht bei der jeweiligen Institution oder dem Staat liege, so der stellvertretende Vorsitzende des KTH Stiftungsfonds, Herr Dr. Thomas Persson. Die darauffolgenden Präsentationen unterstrichen die Rolle von technologischen Innovationen bei der Gestaltung der Zukunft der Mobilität bei gleichzeitiger Gewährleistung von Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit. Während die Zukunft der Kraftstoffe sehr ungewiss sei, gebe es keine Einheitslösung; ein Mix aus Strom, Biogas und langfristig auch Wasserstoff sei erforderlich, um den wachsenden Energiebedarf zu decken und die Umsetzung der Klimaziele zu gewährleisten, unterstrich Herr Dr. Jonas Åkerman von der Abteilung für strategische Nachhaltigkeitsstudien. Die Professorin für Stromnetztechnik, Frau Dr. Lina Bertling Tjernberg berichtete anschließend über die Entwicklung von GreenGrids (Grüne Netze), die sich durch ihre Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Kompatibilität mit den Ansätzen der Kreislaufwirtschaft kennzeichnen. Mit Blick auf die Entwicklung der maritimen Infrastruktur erläuterte der Professor für nachhaltige städtische Entwicklung, Herr Dr. Henrik Ernstson, die Umweltrisiken von Nassbaggerei für tiefere Häfen infolge des zunehmenden internationalen Verkehrs in der Ostsee. Abschließend präsentierten Herr Alexander Edenholm und Professor Dr. Jonas Martensson das Studierendenprojekt „KTH Formula Student“, das sich auf die Entwicklung von Rennwagen mit elektrischen Antrieben fokussiert, und das Integrierte Verkehrsforschungslabor (Integrated Transport Research Lab, ITRL) – ein multidisziplinäres Forschungszentrum für nachhaltige Verkehrssysteme in Zusammenarbeit mit der schwedischen Industrie und öffentlichen Akteuren.
Der Blick auf Innovationen im Verkehrssektor wurde ferner beim Besuch des Hauptquartiers der Firma „Candela“ vertieft, die sich auf den Bau von elektrischen Tragflügelbooten und Fähren für den Freizeitbereich sowie die gewerbliche Nutzung spezialisiert. Der CEO und Gründer von Candela, Herr Gustav Hasselskog, präsentierte das innovative Candela P-12 – das weltweit erste elektrische Hochgeschwindigkeits- und Langstrecken-Shuttle-Schiff. Dieses könne mit über 20 Knoten auf computergesteuerten Tragflächen fahren und verbrauche dabei 80 Prozent weniger Energie als herkömmliche Schiffe. Solche Schiffe würden eine energieeffiziente Alternative zu Fähren anbieten und könnten eine wichtige Rolle bei der Reduzierung der Emissionen im Ostseeraum spielen.
Infrastruktur- und Versorgungssicherheit im Kontext geopolitischer Transformationen
Mit Blick auf den Schutz kritischer Seeinfrastruktur, der seit ihrer Gründung hoch auf der Agenda der aktuellen Arbeitsgruppe steht, besuchten die Abgeordneten die Station der schwedischen Küstenwache auf Djurö. Zu den Aufgaben der schwedischen Küstenwache würden Seeüberwachung und andere Kontroll- und Inspektionsaufgaben sowie Umweltsanierungen nach Ölverschmutzungen auf See, Koordinierung des zivilen Bedarfs an Meeresüberwachung und Meeresinformationen sowie die Unterstützung bei der Bekämpfung des Terrorismus im maritimen Umfeld zählen. Angesichts der jüngsten Sabotageakten in der Ostsee bestehe hoher Bedarf nach Rechtsnormen für Aktivitäten in internationalen Gewässern.
Die Arbeitsgruppe hat sich nachfolgend aktiv mit Fragen der Sicherheit und Energiesicherheit sowie des zivilen Schutzes im Ostseeraum auseinandergesetzt. Da die Unterwasserdomäne in der Ostsee sehr komplex, schwer überwachbar und daher weitgehend unerforscht sei, bedürfe es eines Aufbaus von Widerstandsfähigkeit ausgehend von den Erfahrungen der jüngsten Vorfälle, so der Professor an der schwedischen Verteidigungsuniversität und Forscher für maritime Systeme an der KTH, Herr Dr. Hans Liwång. In erster Linie seien Diversifizierung und internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf die infrastrukturelle Anbindung erforderlich. Auch der stellvertretende Leiter der Sicherheitsabteilung bei der Svenska kraftnät, Herr Fredrik Gustavsson, unterstich die Notwendigkeit von Redundanzen im Stromversorgungssystem, um seine Zuverlässigkeit und eine höhere Ausfallsicherheit zu gewährleisten. Dies würde jedoch Auswirkungen auf den Strompreis haben. Um die aktuellen Herausforderungen wie Cyberangriffe, Sabotageaktionen, Industriespionage und weitere hybride Bedrohungen zu bewältigen, ergreife die Svenska kraftnät verschiedene Maßnahmen, um die Stromversorgung in allen Fällen aufrechtzuerhalten: Abhilfemaßnahmen, Vorsorge, Sicherheit und Dialog mit allen beteiligten Akteuren. Die Schwedische Energieagentur unternehme ebenfalls eine Reihe von Maßnahmen, um die Widerstandsfähigkeit der Energieversorgung in Konfliktzeiten durch die Analyse von Angebots- und Nachfragelücken und die Gewährleistung einer robusten Energieversorgung für kritische Sektoren zu gewährleisten, erklärte die Analystin, Frau Rebecka Bergholtz. Zu den aktuellen Aktivitäten der Schwedischen Energieagentur zählten die Priorisierung der Energienutzung, die Rationierung von Energieträgern, die Versorgungsanalyse, Verbrauchsdämpfung, die Energienutzung für die militärische Verteidigung, die Entwicklung von Kommunikationsstrategien, das interne Krisenmanagement sowie die Erhöhung der allgemeinen Widerstandsfähigkeit auf lokaler Ebene.
Abschließend berichteten die Vertreter von Partnerorganisationen über ihre laufenden Tätigkeiten und Schwerpunkte angesichts der globalen geopolitischen und sicherheitspolitischen Veränderungen. Der Ostseerat (Council of the Baltic Sea States, CBSS) befinde sich derzeit in einem Review-Verfahren, erklärte der Generaldirektor des CBSS, Herr Gustav Lindström. Ein „Ausschuss der Weisen“ sei mit der Ausarbeitung eines Berichts und von Empfehlungen beauftragt worden, die im Mai 2025 in Tallinn vorgestellt und diskutiert werden sollten. Absehbar sei eine stärkere Fokussierung auf Sicherheitsfragen und auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Vision für die Ostseeregion. Der Präsident der Ostsee-Kommission der Konferenz der peripheren Meeresregionen (KPKR), Herr Tomas Mörtsell, thematisierte seinerseits die von der Europäischen Kommission geplante Reform der europäischen Kohäsionspolitik und äußerte das Besorgnis der KPKR-Mitglieder bezüglich der möglichen Simplifizierung durch Zentralisierung der regionalen Förderung sowie der Steigung des Einflusses der Aufbau- und Resilienzfazilität.
Ausblick auf die Abschlussempfehlungen
In einer geschlossenen Sitzung erörterten die Arbeitsgruppenmitglieder die Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem vergangen Treffen in Bergen, Norwegen und einigten sich auf weitere Empfehlungen zur Verstärkung des maritimen Bereichsbewusstseins in der Ostsee, zur Verhinderung von und Reaktion auf hybride Angriffe auf kritische Infrastrukturen, zum koordinierten Vorgehen gegen die russische Schattenflotte, zum Aufbau von Ausfallsicherheit und Redundanzen in Energie- und Kommunikationsnetzen sowie zur Stärkung der NATO- und EU-Koordinierung im Bereich der Sicherheit in der Ostsee. Die Abschlussempfehlungen der Arbeitsgruppe werden auf dem kommenden und letzten Treffen am 18.–20. Mai in Tallinn, Estland beschlossen und der 34. Jahreskonferenz am 24.–26. August in Mariehamn, Åland vorgestellt.