Europäische Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit: Tilo Gundlack, MdL bei der 23. Sitzung der Fachkommission für Wirtschaft des AdR in Brüssel
Am 4. Juli 2024 vertrat der Landtagsabgeordnete Tilo Gundlack während der 23. Sitzung der Fachkommission für Wirtschaft (ECON) des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) in Brüssel die Interessen des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern.
Die ECON-Fachkommission nahm zwei Stellungnahmen an und beriet über vier weitere im Rahmen einer ersten Erörterung. Dabei standen die Europäische Aufbau- und Resilienzfazilität, die regionale Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Schocks, ausländische Direktinvestitionen in der EU, die europäische Wettbewerbsfähigkeit, die Unterstützung regionaler Wertschöpfungsketten und die europäische Verteidigungsindustrie im Zentrum der Debatten.
Halbzeitbewertung der Durchführung der Aufbau- und Resilienzfazilität
Ein Stellungnahmeentwurf der ECON-Mitglieder nahm Bezug auf die Halbzeitbewertung der in Reaktion auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Pandemie eingerichteten Aufbau- und Resilienzfazilität (engl. recovery and resilience facility, RRF). Diese wird einerseits zu etwas weniger als 50 % durch das EU-Budget gedeckt und andererseits zu etwas mehr als 50 % durch Kredite an die Mitgliedstaaten.
Die finanziellen Mittel nimmt die EU-Kommission durch die Ausgabe von Anleihen auf den Kapitalmärkten auf; es handelt sich dabei um eine Form der Schuldenaufnahme durch die EU.
Die Aufbau- und Resilienzfazilität, die dabei geholfen hat, die Auswirkungen der Krisen auf die europäische Wirtschaft zu begrenzen und das Niveau der öffentlichen Investitionen aufrechtzuerhalten, sollte aus Sicht der ECON-Mitglieder unter Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften umgesetzt werden.
Der einstimmig angenommene Stellungnahmeentwurf regte eine Verlängerung des Auszahlungszeitraums des Instruments nach 2026 an, da bisher lediglich 37 % der Mittel genutzt wurden. Die Stellungnahme merkte an, dass die Fazilität weniger auf Umverteilung ausgerichtet sei als die Mittel der Kohäsionspolitik, dass Substitutionseffekte zulasten der Kohäsionspolitik eingetreten seien, und dass die zugrundeliegende Leistungsmessung die erzielten Ergebnisse, z.B. von Sozialinvestitionen, nicht hinreichend erfasse. Die ECON-Mitglieder lehnten eine Ausweitung der leistungsorientierten Mittelzuweisung auf die kohäsionspolitischen Programme dementsprechend ab. Die Stellungnahme schlug vor, mindestens 10 % der nicht gebundenen RRF-Mittel umzuschichten und für den Zugang zu sozialem, angemessenem, erschwinglichem und nachhaltigem Wohnraum zu verwenden, um die akute Wohnungskrise zu bewältigen, die in fast allen EU-Mitgliedstaaten herrscht. Das könne auch dazu beitragen, Energiearmut zu verringern, indem der Zugang zu Wohnraum für einkommensschwache Haushalte durch niedrigere Energiekosten verbessert wird. Daneben unterstrich die Stellungnahme die Bedeutung von Investitionen in Projekte für erneuerbare Energien wie Windkraft, Solarenergie und Geothermie. Angemessene Mittel zur Unterstützung von Initiativen für eine nachhaltige städtische Mobilität seien erforderlich, z. B. für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Fahrradinfrastruktur und eine fußgängerfreundliche Stadtplanung. Darüber hinaus forderte die Stellungnahme die kontinuierliche Unterstützung von Projekten zur Förderung der biologischen Vielfalt und zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Städten und ländlichen Gebieten soll es so ermöglicht werden, die ökologische Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit in Europa zu befördern.
Europäische Verteidigungsindustrie
Ein Arbeitsdokument der ECON-Fachkommission nahm Bezug auf die EU-Mitteilung JOIN(2024) 10 final „Eine neue europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich“, abgekürzt EDIS, und auf den Verordnungsvorschlag COM(2024) 150 final für ein industrielles Verteidigungsprogramm, abgekürzt EDIP, das den Europäischen Verteidigungsfonds ergänzt.
Die Strategie für die Europäische Verteidigungsindustrie (EDIS) zielt darauf ab, die Verteidigungsbereitschaft der EU zu kritischen Spitzenfähigkeiten weiterzuentwickeln.
Die Einrichtung eines Fonds zur Beschleunigung der Transformation der Lieferketten, eine Integration mit der ukrainischen Verteidigungsindustrie sowie ein strukturierter Dialog mit der NATO werden angestrebt.
1,5 Mrd. EUR aus dem EU-Budget sollen 2025-2027 in die europäische Verteidigung fließen.
Tilo Gundlack, MdL forderte, dass eine Finanzierung durch Kohäsionsmittel klar ausgeschlossen werden müsse, und dass der zuständige Berichterstatter klären solle, wie eine Finanzierung durch eine Extra-Finanzierungsquelle aussehen könne.
Europas Regionen gegen Schocks wappnen: Stärkung der lokalen und regionalen wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit bei der strategischen Entwicklung des Binnenmarkts
Eine Initiativstellungnahme der ECON-Fachkommission betonte die Bedeutsamkeit der regionalen ökonomischen Widerstandsfähigkeit in den EU-Mitgliedstaaten. Sie wies auf die asymmetrische Betroffenheit der europäischen Regionen bezüglich der multiplen Krisen in der EU hin und begründete damit die Notwendigkeit robuster regionaler Resilienzstrategien sowie einer umfassenden Sicht auf die wirtschaftlichen, sozialen, geopolitischen, grünen und digitalen Aspekte der Widerstandsfähigkeit.
Die Stellungnahme betonte, dass Investitionen in die Infrastruktur und die Zugänglichkeit der Regionen für die Stärkung ihrer wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit und des Binnenmarkts maßgeblich seien. Sie forderte eine stärkere Berücksichtigung spezifischer regionaler Schwachstellen, zum Beispiel in den Außengrenzregionen, beim Ausbau der Infrastruktur und äußerte die Auffassung, dass Investitionen in das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V), einschließlich veralteter Eisenbahn- und Binnenschifffahrtsinfrastruktur, für den wettbewerbsfähigen, sicheren und emissionsarmen Personen- und Warenverkehr von wesentlicher Bedeutung seien. Dabei sei es wichtig, nachhaltigen Verkehrslösungen, der Integration erneuerbarer Energien und der Minimierung der Umweltauswirkungen Vorrang einzuräumen.
Insgesamt forderte die Stellungnahme eine bessere Abstimmung der EU-Strategien/ der strategischen Vorausschau der EU-Kommission mit der regionalen Dimension der Widerstandsfähigkeit. Die regionalen Resilienz-Dashboards wurden begrüßt, sollten aus Sicht der Stellungnahme aber baldmöglichst an den Start gehen und mit einheitlichen Daten der verschiedenen statistischen Ebenen ausgestattet werden.
Ferner forderte die Initiativstellungnahme der Fachkommission ECON in Fällen wirtschaftlicher Schocks eine regional ausgerichtete Flexibilität bei staatlichen Beihilfen und sprach sich für die Kernenergie aus. Zudem stellte sie fest, dass viele Regionen in grenznahen Gebieten keine Windenergie erzeugen können, da dies mit der Radar- und Sensorentechnologie im Verteidigungsbereich kollidiert. Somit betonte die Stellungnahme, dass die Förderung der Entwicklung von Radar- und Sensorentechnologien zur Erzeugung von Windkraft in diesen Regionen eine wichtige europäische Lösung für die Verfügbarkeit sauberer Energie darstellen und gleichzeitig die Resilienz der Regionen an den Außengrenzen der EU erhöhen kann.
Des Weiteren setzte sich die Stellungnahme für eine Erhöhung der Mittel für Initiativen zur Vermittlung von Finanzwissen der EU-Bürger ein.
Für einen wettbewerbsfähigen und widerstandsfähigen Binnenmarkt
Die Mitglieder der Fachkommission ECON erörterten wichtige Weichenstellungen der EU zur Stärkung des Binnenmarktes im globalen Wettbewerb, der stark durch die amerikanischen und chinesischen Industriestrategien geprägt wird. Dabei wurde diskutiert, dass die EU bei den Zukunftsindustrien Exzellenz anstreben müsse. Mit diesem Ziel müsse die industrielle Basis der EU geschützt und weiter befördert, und grüne, digitale und Sicherheitsinnovationen hervorgebracht werden. Bedeutsame Voraussetzungen seien hierbei die Erreichung der CO2-Neutralität, die Verhinderung der Abwanderung von Hochqualifizierten und der Schutz kritischer Rohstoffe.
Das Arbeitsdokument in Vorbereitung einer Stellungnahme nahm Bezug auf die Berichte von Enrico Letta und Mario Draghi zur Vertiefung des EU-Binnenmarktes.
Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen zum Schutz der Sicherheit und öffentlichen Ordnung
Die ECON-Mitglieder befassten sich im Rahmen einer ersten Erörterung auch mit der Identifizierung von Sicherheitsrisiken, die von ausländischen Direktinvestitionen (FDI, auf Englisch: foreign direct investments) ausgehen können. Eine EU-Konsultation dazu folge Anfang September 2024.
In der Debatte kam zum Ausdruck, dass der Austausch über FDI-Prüfungen hilfreich sei, dass hingegen einige EU-Mitgliedstaaten gegenüber dem verbindlichen Überprüfungsmechanismus aus Art. 3 (1) des aktualisierten Verordnungsvorschlages Skepsis hegten.
Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen in regionalen Wertschöpfungsketten
Die Förderung der Lokal- und Sozialwirtschaft als einem Teilbereich des EU-Binnenmarktes wurde von den ECON-Mitgliedern mit Blick auf eine im Dezember 2024 zu verabschiedende Initiativstellungnahme diskutiert.
Diese wird sich auf den im November 2022 veröffentlichten „Übergangspfad für Proximität und Sozialwirtschaft“ der EU-Kommission mit seinen 14 Aktionsbereichen und 30 spezifischen Maßnahmen beziehen.
Hingewiesen wurde in der Debatte in diesem Zusammenhang unter anderem auf das Konzept der „15-Minuten-Stadt“, demzufolge die Bewohner ihre Alltagswege zu Fuß oder mit dem Fahrrad idealerweise innerhalb von fünfzehn Minuten zurücklegen können, und auf das “Intelligent Cities“-Programm.