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Plenardebatten im Zeichen des Kriegs in der Ukraine und der Klimaziele der EU: Tilo Gundlack, MdL online bei der 149. Tagung des Ausschusses der Regionen in Brüssel

  • EU-Kommissar Maroš Šefčovič (Foto: Landtag M-V)
  • Die EU-Kommissare Janez Lenarčič (l.) und Elisa Ferreira (r.) in der Debatte mit Vitali Kltischko (Foto: Landtag M-V)
  • EU-Kommissarin Dubravka Šuica (Foto: Landtag M-V)
  • AdR-Vizepräsident Vasco Cordeiro und Tilo Gundlack, MdL (o.l., Foto: Landtag M-V)

Am 28. April 2022 vertrat der Landtagsabgeordnete Tilo Gundlack Mecklen­burg­-Vorpommern online auf der 149. Plenartagung des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR).

Während der Plenartagung wurden unter anderem Vorschläge zum „Fit-for-55“-Paket der EU diskutiert.

In Debatten mit den EU-Kommissaren Janez Lenarčič, Elisa Ferreira, Maroš Šefčovič und Dubravka Šuica befassen sich die Lokal- und Regionalvertreter der EU auch mit dem Ukrainekrieg, der Partnerschaft zwischen der EU und Großbritannien auf subnationaler Ebene und der Förderung der europäischen demokratischen Werte durch Bildung zur Förderung der EU-Bürgerschaft. Die Ergebnisse der letzteren Debatte, die unter anderem die Beeinflussung demokratischer Prozesse durch Fake-News und soziale Medien thematisierte, sollte in eine Bürgerdebatte der Konferenz zur Zukunft Europas einfließen.

Insgesamt verabschiedete der AdR während der Plenartagung 15 Stellungnahmen und zwei Resolutionen.

 

Solidarität mit der Ukraine und Verurteilung des russischen Angriffskriegs

Die AdR-Mitglieder nahmen eine Entschließung zur Lage in der Ukraine aufbauend auf die Resolution des 9. Gipfels der Regionen und Städte in Marseille vom 3./4. März 2022 an. In der Entschließung forderte der AdR, der auch eine Unterstützungsplattform „Help Ukraine“ eingerichtet hatte, unter anderem die unverzügliche Freilassung der entführten ukrainischen Bürgermeister sowie die Bereitstellung von Instrumenten, um die Kommunalbehörden bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu unterstützen. Der AdR begrüßte ferner die Aussetzung von Programmen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit unter Beteiligung russischer und belarussischer Partner. Auch unterstützte er die Forderung nach einem vollständigen Verbot europäischer Einfuhren von Gas, Öl und Kohle aus Russland und forderte die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, mit der Ausarbeitung von Notfallplänen zur Vorbereitung auf die Folgen solcher Sanktionen zu beginnen. Dabei äußerte der AdR die Auffassung, dass die Bemühungen der EU um die Stärkung ihrer Energieunabhängigkeit auch die vollständige Aufgabe der Projekte Nord Stream und Nord Stream 2 umfassen müssen.

Während der Debatte zu Beginn der 149. AdR-Plenartagung waren der Bürgermeister von Kiew und Ehrenmitglied im AdR, Vitali Klitschko, die Bürgermeister von Mariupol, Lviv und Melitopol sowie die Vorsitzende des Regionalrats von Charkiw digital zugeschaltet. Sie schilderten den AdR-Mitgliedern die Lage vor Ort – in Mariupol wurden bereits 20.000 Einwohner getötet und 90% der städtischen Infrastruktur zerstört – und erläuterten, wie die EU und deren Regionen und Städte am besten zu humanitärer Hilfe und zum Schutz ukrainischer Flüchtlinge beitragen können.

In der Debatte mit den Mitgliedern wurde auch der Vorschlag unterbreitet, dass regionale und lokale Gebietskörperschaften Patenschaften beim Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur übernehmen.

EU-Kommissarin Elisa Ferreira informierte die AdR-Mitglieder über das Hilfsprogramm CARE (Cohesion Action for Refugees in Europe). Dieses stützt sich auf verbleibende Kohäsionsmittel aus dem Haushalt 2014-2020 und noch nicht eingeplante Gelder aus dem ReactEU-Fonds, die von den EU-Mitgliedstaaten und Regionen in Anspruch genommen werden können. Das Programm ergänze europäische Instrumente wie die makrofinanzielle Unterstützung, den Asyl- und Migrationsfonds, die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz (dieser Schutzstatus kann zunächst für ein Jahr gewährt und anschließend verlängert werden) und die EU-Friedensfazilität. Die Vorfinanzierung von ReactEU sei auf 15% erhöht worden, und direkt an die Ukraine angrenzende EU-Mitgliedstaaten mit einem Anteil an Flüchtlingen von einem Prozent an der Gesamtbevölkerung können Mittel beantragen. Der Europäische Sozialfonds und der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung könnten bürokratielos für eine Umwidmung von Mitteln genutzt werden. Die oben genannte Unterstützungsplattform sei auch Anlaufpunkt für Hilfen aus den Regional-, Beschäftigungs- und Wohnungsfonds: Gebietskörperschaften können hier Anfragen stellen und Informationen erhalten.

Zusätzlich gebe es eine Erstattungsmöglichkeit für Flüchtlingsaufenthalte in Höhe von jeweils 40 Euro pro Woche.

260 grenzübergreifende Projekte seien außerdem derzeit im Rahmen des Nachbarschaftsinstruments aktiv, unter anderem für ukrainische Krankenhäuser, Schulen, kleine und mittelständische Unternehmen und Städte.

Janez Lenarčič, EU-Kommissar für Krisenmanagement informierte darüber, dass Sachleistungen durch Katastrophenschutzbehörden über den EU-Katastrophenhilfefonds organisiert werden können und warb dafür, die Solidarität mit der Ukraine aufrechtzuerhalten.

Der AdR hat mit dem Verband der ukrainischen Städte unter der Leitung seines Präsidenten Vitali Klitschko einen Aufruf an die Regionen der EU gestartet, um in den kommenden Wochen und Monaten Sommerlager für 15.000 begleitete Minderjährige in der Europäischen Union zu organisieren.

Inzwischen sind etwa fünf Millionen ukrainische Flüchtlinge in der EU angekommen.

Eine regelmäßig aktualisierte Karte des Europäischen Amtes für humanitäre Hilfe zum Kriegsgeschehen in der Ukraine findet sich hier.

 

Besteuerung und Einsparung von Energie und Strom im Sinne des Klimaschutzes

Die aktuelle Energiekrise bildete einen weiteren Schwerpunkt der Plenartagung, auf der eine Reihe von Empfehlungen zu den Themen Energie und Grüner Deal verabschiedet wurden. Diese zielten darauf ab, die Abhängigkeit der EU von Erdöl und Erdgas aus Russland zu überwinden und die Bürgerinnen und Bürger durch eine schnellere Umstellung auf saubere Energie vor den rekordhohen Energiepreisen zu bewahren. Darüber hinaus verabschiedete der AdR eine Entschließung zu REPowerEU , in der er betont, dass die Energiesouveränität die einzig zukunftsfähige Strategie für eine sichere Energieversorgung ist.

Mecklenburg-Vorpommern will bis 2030 seinen gesamten Energiebedarf vollständig aus Erneuerbaren Energien decken.

Um die EU-Klimaziele zu erreichen, seien aus Sicht der EU-Kommission eine Verringerung der Energienutzung und eine Dekarbonisierung der Energieversorgung wichtig.

In ihren Vorschlag zur Überprüfung der Energieeffizienzrichtlinie COM(2021) 558 final stellte die EU-Kommission heraus, dass die EU-Mitgliedstaaten insgesamt mit ihren Beiträgen der nationalen Energie- und Klimapläne etwas hinter dem Ziel der Union von 32% Energieeinsparung für 2030 zurückbleiben. Es wurde auf die Einsparpotentiale von Gebäuden sowie bei der Umwandlung, Übertragung, Fernleitung sowie Verteilung von Energie, auf den wachsenden Energieverbrauch des Informations- und Telekommunikationsbereichs -  europäische Rechenzentren verbrauchten 76,8 TWh im Jahr 2018 - und die Herausforderungen im Verkehrssektor hingewiesen. Die Neufassung der Energieeffizienzrichtlinie würde die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, ihre jährlichen Beiträge zur Energieeinsparung stark zu erhöhen und mit Maßnahmen im gesamten öffentlichen Sektor, auch zur Bekämpfung der Energiearmut, dazu beitragen, dass 9 % mehr Energieeinsparungen erzielt werden als in der bestehenden Richtlinie und in den nationalen Energie- und Klimaplänen 2021-2030 vorgesehen sind.

Das Vorhaben der EU-Kommission wird neben obligatorischen Energieaudits für Großunternehmen eine verpflichtende jährliche Verringerung des Energieverbrauchs im öffentlichen Sektor sowie eine Ausweitung der verpflichtenden jährlichen Renovierungsquote auf alle öffentlichen Einrichtungen mit sich bringen. Für letztere müssten die EU-Mitgliedstaaten eine Datenbank zum jährlichen Energieverbrauch anlegen. Auch bei öffentlichen Ausschreibungen müssen außerdem die Energieeffizienzanforderungen berücksichtigt werden.

Der Stellungnahmeentwurf des AdR diesbezüglich setzte sich unter anderem dafür ein, den Kreis der in Bezug auf Energiearmut zu Unterstützenden jenseits der Haushalte auf (Kleinst- und Klein-)Unternehmen und Mobilitätsnutzer auszuweiten. Zudem forderte er Leitlinien der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten sowie spezifische Förderinitiativen zur umfassenden Renovierung von Gebäuden mit historischem Wert. Spezifische Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz sollten neben der nationalen und europäischen Ebene auch auf lokaler und regionaler Seite getroffen werden. Nach Auffassung des AdR sollten die Mitgliedstaaten ebenfalls sicherstellen, dass die Städte und Regionen und andere öffentliche Einrichtungen für eine Datenerhebung zum Energieverbrauch ausreichend ausgestattet sind. Auch sollten die Mitgliedstaaten klare Leitlinien und Verfahren für den Einsatz von Energieaudits und für Energieleistungsverträge und –managementsysteme im öffentlichen Sektor vorgeben. Der AdR setzte sich ferner dafür ein, dass die EU-Mitgliedstaaten die Erzeugung von Biogas aus organischen Siedlungsabfällen in Gemeinden und Gemeindeverbänden fördern, ebenso wie die Installation von Photovoltaikpaneelen auf öffentlichen Gebäuden. Verbände von Bewässerungsgemeinschaften sollten nach Auffassung des AdR als Erzeuger und Einspeiser von Photovoltaikenergie in das allgemeine Stromnetz ebenfalls gefördert werden. Bei der Bewertung des Potenzials für eine effiziente Wärme- und Kälteversorgung berücksichtigen die Mitgliedstaaten umfassendere Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsaspekte. Aufgrund der Rolle von Wärmepumpen für die Ausschöpfung von Energieeffizienzpotenzialen bei der Wärme- und Kälteversorgung sollten die Risiken negativer Umweltauswirkungen von persistenten, bioakkumulierbaren oder toxischen Kältemitteln minimiert werden.

 

Gegen Steuervermeidung: Einführung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmen

In Anlehnung an die Weiterentwicklung internationaler Steuervorschriften der OECD und G20 hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der festlegt, wie die Grundsätze des von 137 Ländern vereinbarten effektiven Steuersatzes von 15 % in der EU in der Praxis angewandt werden sollen.

Mit ihm soll der Wettbewerb um immer niedrigere Körperschaftssteuersätze begrenzt werden und multinationale Konzerne sollen einen angemessenen Steuerbeitrag leisten, unabhängig davon, wo sie tätig sind. „Es darf nicht sein, dass zum Beispiel große Internetfirmen, die gigantische Gewinnen erzielen, nicht ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen. Deren kreative Wege, Milliardenbeträge zu sparen, erodieren unsere öffentlichen Haushalte“, so der Landtagsabgeordnete Tilo Gundlack.

Der Vorschlag enthält eine Reihe gemeinsamer Regeln für die Berechnung eines effektiven Steuersatzes, damit er in der gesamten EU ordnungsgemäß und einheitlich angewendet wird. Die vorgeschlagenen Regeln gelten für alle großen inländischen und internationalen Konzerne, einschließlich des Finanzsektors, mit einem Gesamtumsatz von mehr als 750 Mio. EUR pro Jahr, die entweder eine Mutter- oder eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben.

Der AdR begrüßt in seiner Stellungnahme den erwähnten Richtlinienentwurf COM(2021) 823 und sieht darin Vorteile für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), wenn die Harmonisierung der Vorschriften in der EU in ausreichendem Maße erfolgt. Auch sollte aus Sicht des AdR neben einer Doppelbesteuerung vermieden werden, dass europäische Unternehmen strengeren Vorschriften unterliegen als ihre direkten Wettbewerber und dass die Anreize für Innovationen im Rahmen des Europäischen Grünen Deals, inklusive für den Klimaschutz, und für die Sicherung der Energieversorgung verringert werden. Daneben fordert der AdR einen Testzeitraum für Sanktionen, die verhältnismäßig sein sollen, und er schlägt in Bezug auf die Hinterlegungspflichten vor, dass unternehmensbezogene Informationen nur im Rahmen eines offiziellen Informationsaustauschs zwischen den Steuerbehörden und unter Wahrung strikter Vertraulichkeit und angemessener Nutzungsbedingungen übermittelt werden sollten, um eine unkontrollierte Weitergabe sensibler Informationen zu verhindern. Dabei sei jedoch die Einhaltung von Transparenzanforderungen gemäß der von der OECD verabschiedeten Empfehlung des Rates über gemeinsame Ansätze für öffentlich geförderte Exportkredite und die sorgfältige Prüfung von ökologischen und sozialen Aspekten zu gewährleisten.

 

Für eine stärkere Einbeziehung einschlägiger Interessenträger in Waldfragen

Die EU-Waldstrategie für 2030 kombiniert als eine Leitinitiative des europäischen Grünen Deals Regulierungs- und Finanzmaßnahmen zur Bewirtschaftung und zum Schutz der europäischen Wälder. Sie schafft einen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit in waldpolitischen Fragen. Dies wird vom AdR begrüßt, doch übt er Kritik an dem starken Augenmerk der Strategie auf die Biodiversität, auf die Wiederherstellung der Ökosysteme und die Vergrößerung von CO2-Senken zulasten der Kohärenz mit dem Ziel sozioökonomischen Wachstums.

Der AdR betont in seiner Stellungnahme, dass verschiedene waldbasierte Sektoren, darunter auch solche, die ohne die Entnahme von Waldressourcen Nutzen aus den Wäldern ziehen, zu einer nachhaltigen, klimaneutralen und sozioökonomisch wettbewerbsfähigen, kreislauforientierten Bioökonomie beitragen können und sollen. Gleichzeitig fordert er die EU-Kommission auf, in ausgewogener, ökologisch, sozial und wirtschaftlich gerechter Weise die Klima- und Biodiversitätsziele und die Ziele der waldbasierten Bioökonomie als einem der Grundpfeiler des europäischen Grünen Deals zu verfolgen. Angesichts der Vielfalt der Wälder in der EU drängt der AdR auf die Achtung der Subsidiarität und der Rolle der Mitgliedstaaten in diesem Bereich.

Der AdR fordert die Anerkennung der Gesamtheit der Ökosystemleistungen mit der Aussicht auf ein praktisches Zahlungs- bzw. Kompensationssystem.

Der AdR nahm außerdem Stellungnahmen zum Europäischen Emissionshandelssystem und Grenzausgleichsmechanismus, zur Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung, zur Stärkung der Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf subnationaler Ebene sowie zum neuen europäischen Bauhaus, zur neuen Behörde für Notfallmaßnahmen im Gesundheitswesen und zur Europäischen Hochschulstrategie an. Die Überarbeitung der LULUCF- und der Lastenteilungsverordnung, künftige EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen für Landwirtschaft, ländliche Gebiete und Forstwirtschaft sowie über eine sozial gerechte Umsetzung des Grünen Deals waren ebenfalls Gegenstand von AdR-Stellungnahmen des 149. AdR-Plenums.

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