Am 25. Februar 2022 vertrat der Landtagsabgeordnete Tilo Gundlack Mecklenburg-Vorpommern auf der online ausgerichteten 11. ECON-Sitzung des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR).
Wirtschaftspolitische Steuerung: Weitreichende Forderung des AdR nach Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit in der EU-Steuerpolitik
Ein Stellungnahmeentwurf der Fachkommission ECON befasste sich mit dem Vorhaben der EU-Kommission, die europäischen Wirtschafts- und Haushaltsregeln zu reformieren. Die Mitteilung der EU-Kommission COM(2021) 662 final bewertet, wie sich die veränderten Umstände nach der COVID-19-Krise auf die wirtschaftspolitische Steuerung auswirken, und nimmt die Debatte über die Überprüfung des Rahmens wieder auf.
Die Fachkommission ECON stellte in der von ihr verabschiedeten Stellungnahme dazu fest, dass die Staatsverschuldung infolge der COVID-19-Bewältigungsmaßnahmen zugenommen habe: 2020 stieg der öffentliche Schuldenstand um 13 Prozentpunkte auf 92 % des BIP in der gesamten EU und auf 100 % des BIP im Euro-Währungsgebiet, nachdem die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes aktiviert worden war. Die Stellungnahme plädierte daher für eine Beibehaltung ebendieser Ausweichklausel, bis der wirtschaftspolitische Steuerungsrahmen überarbeitet worden ist. Dies sollte aus Sicht des AdR unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente sowie unter Berücksichtigung der hohen öffentlichen Schulden, die sich nur schrittweise reduzieren ließen, sowie vielfältigerer Indikatoren geschehen. Die AdR-Stellungnahme forderte einen Legislativvorschlag der EU-Kommission bis Ende 2022 zur Überarbeitung des Steuerungsrahmens. Auch solle die EU-Kommission prüfen, ob die lokalen Gebietskörperschaften von der Anwendung der Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumspakts ausgenommen werden können.
Eine zentrale operative Regel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur schrittweisen Reduzierung der Schuldenquote sei ferner notwendig, ebenso eine konjunkturbereinigte antizyklische Stabilisierung. Aus Sicht des AdR sollten des Weiteren die öffentlichen Ausgaben im Zuge der Kofinanzierung der Struktur- und Investitionsfonds sowie für Projekte im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele und des Grünen Deals aus der Rechnungsführung ausgenommen werden („goldene Kofinanzierungsregel“). Ein Monitoring soll durch die nationalen Räte für Finanzpolitik und den Europäischen Fiskalausschuss abgesichert werden. Auch sprach sich die Stellungnahme für eine Begrenzung des jährlichen Wachstums der Gesamtheit der Staatsausgaben aus, die Trendwachstum und Schuldenstand beachtet.
Gleichzeitig äußerte die Stellungnahme die Befürchtung, dass durch die Einstufung der Gas- und Atomenergie als nachhaltige Energien im Rahmen der EU-Taxonomie-Verordnung Anreize gegeben werden, die dem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien zuwiderlaufen.
Zusätzlich stellte die AdR-Stellungnahme den Erfolg des EU-Programms SURE heraus, das mit durch die EU-Kommission begebenen Anleihen finanziert wird, und forderte die EU-Kommission auf, als Folgemaßnahme zu SURE ein Weißbuch mit politischen Optionen für die Einrichtung einer ständigen europäischen Arbeitslosenrückversicherung vorzulegen.
Die Stellungnahme vertrat den Standpunkt, dass in der EU-Steuerpolitik die Beschlussfassung nach dem Einstimmigkeitsprinzip zugunsten der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit aufgegeben werden sollte. Dieser Empfehlung liegt das Argument einer besseren Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken im Steuerbereich und eines erleichterten Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten zugrunde.
Darüber hinaus führten die AdR-Mitglieder einen ersten Meinungsaustausch über einen Stellungnahmeentwurf zum digitalen Zusammenhalt durch und diskutierten zum Thema elektronische öffentliche Auftragsvergabe. Hierfür gelten ab Oktober 2023 neue Standardformulare, die nur noch in elektronischer Form vorgehalten werden.