Tilo Gundlack, MdL bei der 154. Plenartagung des Europäischen Ausschusses der Regionen in Brüssel – ukrainische Flüchtlinge im Fokus
Vom 15.-16. März 2023 wirkte der Landtagsabgeordnete Tilo Gundlack an der 154. Plenartagung des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) in Brüssel mit.
Die AdR-Mitglieder haben sechs Stellungnahmen und zwei Entschließungen angenommen.
In Debatten mit Dubravka Šuica, der für Demokratie und Demografie zuständigen Vizepräsidentin der EU-Kommission, und dem schwedischen Minister für Öffentliche Verwaltung, Erik Slottner, befassten sich die Mitglieder des AdR unter anderem mit der Umsetzung des „Europäischen Jahres der Kompetenzen 2023“, d.h. der Erschließung der Fähigkeiten der EU-Bevölkerung, und den Prioritäten des schwedischen Ratsvorsitzes. Dieser wolle auf den Zusammenhalt in der EU hinarbeiten und die europäischen Werte verteidigen.
Des Weiteren setzten sich die AdR-Mitglieder mit der östlichen Partnerschaft und dem Krieg in der Ukraine, mit Problemen bei der kurzfristigen Vermietung von Unterkünften, dem Vorschlag für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz und der Digitalisierung in den ländlichen Gebieten der EU auseinander. Auch die Änderung der EU-Asbestrichtlinie und der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft standen auf der Tagesordnung des AdR.
Bewältigung der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine
Neben der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt in der EU debattierten die AdR-Mitglieder auch über die Förderung der Integration ukrainischer Flüchtlinge in den Gemeinden und Regionen der EU und über die seit Februar 2022 geleisteten Hilfsmaßnahmen.
Hier haben seit der großangelegten russischen Invasion in der Ukraine ca. acht Millionen Ukrainer Zuflucht gefunden, und es wurde Nothilfe für Partnerstädte und -gemeinden bereitgestellt. „Die Aufnahme und Unterstützung Geflüchteter auch bei uns ist eine Frage der Solidarität. Es darf einfach nicht sein, dass Menschen aus anderen Ländern geringer geachtet werden als sogenannte Eingesessene. Die Demonstrationen und Anschläge gegen Asylunterkünfte in Mecklenburg-Vorpommern und anderswo machen mich sehr betroffen“, so der Landtagsabgeordnete Tilo Gundlack.
Der erste stellvertretende Bürgermeister von Prag, Zdeněk Hřib, der mit den anderen Bürgermeistern der Visegrád-Staaten in der Ukrainehilfe kooperiert, führte zur derzeitigen Lage und Bedarfen in ukrainischen Städten aus.
Der AdR koordiniert zusammen mit seinen Partnerverbänden der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der EU und der Ukraine die gemeinsamen Anstrengungen im Rahmen der Europäischen Allianz der Städte und Regionen für den Wiederaufbau der Ukraine.
Verringerung des Einsatzes von Pestiziden und ihrer Rückstände in der Umwelt: Für eine erweiterte Herstellerverantwortung
Die Verwendung chemischer Pestizide in der Landwirtschaft im derzeitigen Ausmaß gefährdet laut EU-Kommission die Gesundheit der Menschen und der Umwelt.
Eine vom AdR im 154. Plenum angenommene Stellungnahme nimmt Bezug auf den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung der Verordnung (EU) 2021/2115 – COM(2022) 305 final und zielt darauf ab, die Landwirte unabhängiger vom Einsatz von Pestiziden zu machen und insgesamt eine Verringerung ihres Einsatzes sowie der Giftigkeit der Substanzen herbeizuführen.
So regt sie beispielsweise die Einrichtung eines staatlichen Fonds an, der dazu beitragen kann, die Umsetzung und Einführung des integrierten Pflanzenschutzes zu fördern. Die EU-Mitgliedstaaten sollten ferner sicherstellen, dass die Hersteller, die Pflanzenschutzmittel in Verkehr bringen, die erweiterte Herstellerverantwortung übernehmen. Ebenso sollten sie eine Behörde benennen, die für die gerechte Entschädigung von Menschen, welche durch Pestizidverwendung bedingt an Berufskrankheiten leiden, zuständig ist.
Außerdem sollte laut der AdR-Stellungnahme die EU die Einfuhr von nach ihren Maßstäben unzulässig behandelten Lebensmitteln, die Ausfuhr von solchen Pestiziden sowie die Verwendung von Pestiziden durch nicht gewerbsmäßige Kunden verbieten.
Ausgleich der Bedürfnisse von Gemeinden, Unternehmen und Touristen im Zusammenhang mit der kurzfristigen Vermietung von Unterkünften
Ein Mangel an Klarheit und Transparenz hat eine beträchtliche Anzahl von Städten und Regionen in der EU dazu veranlasst, einseitige Maßnahmen zur Überwachung und Begrenzung der Tätigkeit von Kurzzeitvermietungsdiensten zu ergreifen, z. B. die Begrenzung der Anzahl der Tage, an denen eine Immobilie vermietet werden kann, die Verschärfung der Steuererhebung und das Verbot der Kurzzeitvermietung in bestimmten Gebäudetypen oder in bestimmten Gebieten.
Eine vom AdR verabschiedete Stellungnahme begrüßt in diesem Zusammenhang den Vorschlag der EU- Kommission für eine Verordnung, die die Transparenz bei der kurzfristigen Vermietung von Unterkünften durch eine verbesserte Datenerfassung und -weitergabe erhöhen soll.
Obwohl Online-Plattformen ab dem 1. Januar 2023 damit beginnen mussten, den Steuerbehörden Informationen über die von Vermietern erzielten Einkünfte zu übermitteln, sind die Verantwortlichen auf regionaler und lokaler Ebene besorgt über die unterschiedlichen Meldepflichten nach den EU-Vorschriften und dem aktuellen Verordnungsentwurf. Sie möchten klarstellen, dass die Städte und Regionen Zugang zu entsprechenden Daten haben müssen, um ihre Tourismus-, Verkehrs-, Wohnungsbau- und sonstigen Maßnahmen anpassen zu können.
Darüber hinaus fordert der AdR in seiner Stellungnahme eine weitere Untersuchung der Kriterien zur Unterscheidung zwischen professionellen und gelegentlichen Gastgebern, um einen angemessenen Marktzugang zu gewährleisten und unnötige Hindernisse, insbesondere für kleine Anbieter zu beseitigen, während für professionelle Gastgeber strengere Vorschriften gelten.
Das Europäische Medienfreiheitsgesetz
Medienfreiheit und Pluralismus gehören zu den Rechten und Grundsätzen, die in der EU-Grundrechtecharta und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert sind.
Der Vorschlag der EU-Kommission zum Europäischen Medienfreiheitsgesetz zielt auf größeren Medienpluralismus bzw. auf die Verhinderung einer übermäßigen Medienkonzentration, auf den besseren Schutz journalistischer Quellen und Kommunikation, auf die Unabhängigkeit der Medienhäuser, auf gerechte Ressourcenzuweisung sowie Transparenz und Fairness bei staatlicher Werbung und der Publikumsmessung ab. Daneben will er die Entwicklung professioneller Standards und ethischer Kodizes in Bezug auf die Genauigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität von Informationen sowie die Achtung der Privatsphäre der Menschen durch die Medien befördern.
Die Stellungnahme des AdR unterstreicht unter anderem, dass die Zuständigkeit für Medienpluralismus/-freiheit in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten fällt, und das EU-Medienfreiheitsgesetz anstelle einer Verordnung die Form einer Richtlinie annehmen sollte. Schon der Bundesrat hatte im November 2022 gerügt, dass der Verordnungsvorschlag in nationale Hoheitsrechte eingreife.
Das vorgeschlagene Europäischen Gremium für Mediendienste sollte laut der AdR-Stellungnahme ferner unabhängig und frei von politischer Einflussnahme arbeiten.
Dem Vorschlag vorangegangen war am 3. Mai 2018 eine Entschließung des EU-Parlaments zu Medienpluralismus und Medienfreiheit in der EU, in der die EU-Abgeordneten die jüngsten politischen Entwicklungen in verschiedenen Mitgliedstaaten zur Kenntnis nahmen, die zu verstärktem Druck auf und Drohungen gegen Journalisten geführt haben.
Neubestimmung der Östlichen Partnerschaft aus lokaler und regionaler Sicht – für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte
Der verabschiedete Stellungnahmeentwurf des AdR befasst sich angesichts des Ukrainekrieges und der aktuellen Bedrohungslage mit einer Neubestimmung der Zusammenarbeit der EU mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine (Östliche Partnerschaft). Im Zentrum steht dabei die Beförderung freiheitlich-demokratischer Systeme mit starken Städten, Gemeinden und Regionen und die Heranführung an die EU.
Er würdigt die Fortschritte der Republik Moldau, der Ukraine und Georgiens bei der Umsetzung ihrer Assoziierungsabkommen und vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen und enthält außerdem Vorschläge für ein gemeinsames Sekretariat der östlichen Partnerschaft sowie für Projekte z.B. im Bereich Infrastruktur und Integration in den Digital- und Telekommunikationsmarkt und für eine Investitionsplattform.
Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in der EU: Debatte über eine Neuorientierung der EU-Kohäsionspolitik
Am zweiten Sitzungstag organisierte die erneuerte AdR-Kohäsionsallianz (#CohesionAlliance) eine Veranstaltung, mit der der Reflexionsprozess über die Aktualisierung der Ziele der Kohäsionspolitik eingeleitet wurde. EU-Kommissarin Elisa Ferreira legte in einer Video-Botschaft dar, dass allein der grüne Wirtschaftswandel zwei Millionen neue Arbeitsplätze schaffen werde.
1.4 Millionen Unternehmen in der EU erhielten Unterstützung durch die Kohäsionspolitik im mehrjährigen EU-Finanzrahmen 2014-2020.
EU-Kommissarin Ferreira rief dazu auf, künftige Investitionen beispielsweise in Infrastruktur, öffentliche Verwaltung und innovative Netzwerke im Sinne des grünen und digitalen Wandels zu steuern.
Im veränderten geopolitischen Umfeld seien laut dem Vorsitzenden des Ausschusses für regionale Entwicklung des Europäischen Parlaments, Younous Omarjee, MdEP, die industrielle und energetische Unabhängigkeit der EU, Anpassungen an den demografischen Wandel und der Katastrophenschutz Herausforderungen, auf die die gesamten 27 EU-Mitgliedsländer mithilfe von Weichenstellungen in der Kohäsionspolitik reagieren sollten.
Junge gewählte Politiker der lokalen und regionalen Ebene erhalten jedes Jahr die Möglichkeit, an Plenartagungen des AdR teilzunehmen. Aktuell können sich diejenigen, die nach dem 1. Januar 1983 geboren sind, bewerben, um am Programm „Young Elected Politicians“ des AdR teilzunehmen, um die EU-Gesetzgebung und –Fördermöglichkeiten besser kennenzulernen. Die Bewerbungsfrist in diesem Jahr endet am 10. April 2023.