Umweltpolitik, Zusammenhalt in der EU und Wahlen zum Europäischen Parlament im Fokus: Tilo Gundlack, MdL bei der 160. Plenartagung des Europäischen Ausschusses der Regionen - Teil 2
Psychische Gesundheit
Der Mitteilung COM(2023) 298 der EU-Kommission zufolge war bereits vor der COVID-Pandemie jeder sechste Europäer von psychischen Erkrankungen betroffen. Neben dem großen persönlichen Leid beliefen sich die Kosten seinerzeit auf 600 Mrd. Euro, also 4% des BIP der EU.
Heutzutage seien sogar 46% der EU-Bevölkerung von psychischen Problemen betroffen, wobei unter anderem Obdachlosigkeit, Armut, soziale Ausgrenzung, Einsamkeit, Ungleichbehandlung, Diskriminierung, schwere Krankheiten wie Krebs, eine Behinderung, Flucht oder Gewalt sowie Schichtarbeit Faktoren sind, die psychische Erkrankungen begünstigen. Die EU-Kommission will eine Entstigmatisierung psychischer Krankheiten erreichen und stellt auch arbeitsbedingten Stress und zu wenig Bewegung als ursächlich heraus.
Aus dem EU4Health-Programm wurden für die Jahre 2022-2023 rund 70 Mio. Euro für Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit zugewiesen. Nationale, lokale und regionale Behörden können unter anderem vom Instrument für technische Unterstützung, ESF+- und EFRE-Mitteln sowie von Unterstützung der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz profitieren.
Die Mitteilung der EU-Kommission weist neben ihrem Vorhaben, die Datenerhebung, die Hirnforschung und die Suizidprävention zu fördern, unter anderem auf die Bezüge zum Gesetz über digitale Dienste hin, auf die digitalen Zentren für Kinder zum Schutz der psychischen Gesundheit im Internet (Safer-Internet-Zentren) und auf das Better-Internet-for-Kids-Portal. Letzteres ist zu finden unter: https://www.betterinternetforkids.eu/sic/germany. (Das deutsche Safer-Internet-Zentrum liegt in Ludwigshafen, zugänglich in deutscher Sprache unter http://www.saferinternet.de, E-Mail-Kontakt: info@klicksafe.de).
Die Beratungsstellen der Safer-Internet-Zentren der EU-Länder zeigen Wege der Unterstützung und Beratung für Kinder, Jugendliche und deren Eltern auf, die im Internet in problematische Situationen geraten sind, wie Mobbing, Konfrontation mit verstörenden Inhalten oder Grooming. Auch die Nummer gegen Kummer ist in Deutschland mit seinen Gesprächs-, Beratungs- und Informationsangeboten eingebunden.
Zudem erwähnt die EU-Mitteilung die Internetseite https://ifightdepression.com/de/start für Ärzte und Psychotherapeuten in verschiedenen Sprachen, die auch ein therapiebegleitendes Online-Training für junge und ältere Menschen mit leichteren Depressionsformen umfasst.
Mit Blick auf die Statistik äußert die Mitteilung, dass Selbstmord die zweithäufigste Todesursache unter Jugendlichen sei, und dass die Selbstmordrate bei Landwirten 20% über dem nationalen Durchschnitt liege.
Die EU-Kommission fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, den gleichberechtigten, barrierefreien Zugang zu qualitativen und erschwinglichen Gesundheitsdiensten zu gewährleisten. Die Stellungnahme des AdR äußert in diesem Zusammenhang ebenfalls Besorgnis über den Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen in fast allen Regionen und Städten der EU, einschließlich über den Mangel an Fachkräften für psychische Gesundheit, und über den eingeschränkten Zugang zu Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit, z.B. durch sehr lange Wartezeiten und zusätzliche Gebühren.
Der AdR ruft die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, zur Lösung dieses Problems mit Versicherern, Universitäten und Gesundheitsdiensten zusammenzuarbeiten, um die richtigen Bedingungen für die Ausbildung von Fachkräften für psychische Gesundheit zu schaffen.
Die AdR-Stellungnahme fordert neben der Aufstockung der Mittel für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (u.a. Psychiatrie) die Förderung von Unterstützungsprogrammen für Familienangehörige und informelle Betreuer von psychisch Erkrankten.
Sie fordert außerdem die weitere Minderung von Umweltstressoren wie Lärm, Klimawandel und Umweltverschmutzung sowie weitere Anstrengungen zur Erkennung von Problemen im Bereich der psychischen Gesundheit jeweils im Zusammenhang mit Suchtverhalten, Beruf und in der Schwangerschaft/nach einer Geburt.
Genetisch veränderte Pflanzen und Saaten
Der Stellungnahmeentwurf des AdR bezüglich Verordnungsvorschlag COM(2023) 411 bezieht sich auf die geplante Öffnung für neue genomische Techniken (NGT) wie die gezielte Mutagenese, Cisgenese und Intragenese von Pflanzen bzw. das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, Futter- und Nahrungsmitteln, die solche enthalten. Der AdR-Stellungnahmeentwurf fordert eine verpflichtende Risikobewertung sowie Zulassungsverfahren für alle NGT-Pflanzen und setzt sich für verbindliche Rückverfolgbarkeits- und Kennzeichnungsmaßnahmen sowie die Anwendung des Vorsorgeprinzips ein. Zeigen Überwachungsergebnisse, dass ein Risiko für die Gesundheit oder die Umwelt besteht, oder werden diese Risiken durch neue wissenschaftliche Daten gestützt, sollte aus Sicht des AdR den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden, Maßnahmen zur Beschränkung oder zum Verbot des Anbaus von NGT-Pflanzen beider Kategorien in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon zu erlassen.
Er spricht sich auch dafür aus, dass ein erhöhter Herbizideinsatz in der EU vermieden wird, ferner für eine stärkere Unterstützung der öffentlichen Forschung durch die Mitgliedstaaten zur Bewertung der Risiken und für eine Ausweitung der ökologisch/biologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen auf 25%.
Bisher hatte das strenge EU-Gentechnikrecht dafür gesorgt, dass alle NGT-Arten gekennzeichnet und auf Risiken geprüft werden und jederzeit rückverfolgbar waren.
Für "NGT-Pflanzen der Kategorie 1" wird in dem Verordnungsvorschlag die obligatorische Kennzeichnung, die für gentechnisch veränderte Organismen gilt, aufgegeben. Die obligatorische Kennzeichnung soll lediglich für "NGT-Pflanzen der Kategorie 2" beibehalten werden, wobei noch offen ist, ob die durch die genetische Veränderung hervorgerufenen Merkmale durch einen zusätzlichen Sachhinweis spezifiziert werden sollen.
Eine Europäische Erklärung zum Radverkehr
Die EU-Kommission schlägt in Mitteilung COM(2023) 566 eine gemeinsame Erklärung mit dem Europäischen Parlament und dem Rat zum Radverkehr vor, um die Nutzung des Rades in der EU zu erhöhen. Letzteres setze weitere geeignete Infrastrukturen, Verkehrssicherheit sowie eine entsprechende kulturelle Einstellung und Sensibilisierung der EU-Bevölkerung voraus. Die Erklärung strebt die Förderung von Multimodalität, Fahrradtourismus, grünen Arbeitsplätzen und eine europäische Fahrradindustrie an. Sie setzt sich außerdem für die Berücksichtigung des ganzen Spektrums der Bedürfnisse der verschiedenen Fahrradarten ein, unter anderem Lastenräder, Velomobile, (schnelle) Pedelecs, Fahrradanhänger, Drei- und Liegeräder sowie Tandems.
Dies erfordert die Umgestaltung der Städte und Verbindung der Gebiete für Umweltschutz, Gesundheit, Wachstum und Wettbewerb.
Die Stellungnahme des AdR stellt fest, dass derzeit die umweltschädlichsten Verkehrsträger in Städten, nämlich mit Benzin oder Diesel betriebene Individualfahrzeuge, den größten Teil des öffentlichen Mobilitätsraums einnehmen. Sie fordert die Europäische Kommission dringend auf, die lokalen Gebietskörperschaften durch neue Fördermittel dazu anzuregen, diesen Raum wieder aktiveren Mobilitätsformen wie Fuß- oder Radverkehr sowie einem starken, gut strukturierten und integrierten öffentlichen Verkehr zur Verfügung zu stellen, sowie den Übergang zu emissionsfreien Fahrzeugen zu unterstützen.
Des Weiteren betont sie, dass Straßen auf niedrige Geschwindigkeiten und bessere Sicherheit und Sichtbarkeit der am stärksten gefährdeten Nutzer des öffentlichen Raums ausgelegt werden müssen und hebt die Wirksamkeit von Infrastrukturen zur Verkehrsberuhigung hervor.
In diesem Zusammenhang wird vom AdR vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten eine Überarbeitung der Rechtsrahmen für die Radverkehrsinfrastruktur durchführen und auf europäischer Ebene verfügbar machen, um unter Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zunächst in einer Übergangsphase beratende europäische Mindeststandards, zum Beispiel zu Gestaltung und Qualität der Radverkehrsinfrastruktur, festzulegen. Dabei seien die Flächennutzung auf lokaler Ebene und die Eignung der Lösungen für die verschiedenen Verkehrsumgebungen (z. B. für dicht oder locker bebaute Gebiete) zu berücksichtigen.
Weitere Stellungnahmen des AdR, die während der 160. AdR-Plenartagung angenommen wurden, bezogen sich auf die EU-Erweiterung, Biodiversität und Koexistenz mit Großraubtieren, Kinderrechte und Kinderschutz, Fachkräftemobilität und Geothermie.
Außerdem wurden während der Plenartagung AdR-Mitglieder erwähnt, die sich für die Ausrichtung von Sommercamps für ukrainische Kinder eingesetzt haben. Der AdR unterstützt solche Sommercamps fachlich und informiert darüber unter diesem Link.