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Wissenschafts- und Europaausschuss besuchte die jüdische Gemeinde in Schwerin während des jüdischen Lichterfestes Chanukka

  • Die Ausschussmitglieder mit Landesrabbiner Yuriy Kadnykov und dem Beauftragten für jüdisches Leben in M-V und gegen Antisemitismus Nikolaus Voss. (v.l.n.r.: Abg. Paul-Joachim Timm, Abg. Beatrix Hegenkötter, Abg. Elke-Annette Schmidt, Abg. Nadine Julitz, Landesrabbiner Yuriy Kadnykov, Abg. Sabine Enseleit, Abg. Dr. Harald Terpe, Abg. Katy Hoffmeister, Abg. Dr. Anna-Konstanze Schröder, Abg. Dirk Stamer, Landesbeauftragter Nikolaus Voss) (Foto: Landtagsverwaltung)
  • Einblick in den Toraschrein (Foto: Landtagsverwaltung)
  • Gedenktafeln und Blick auf die Grundmauer und Fragmente der 1938 zerstörten Synagoge (Foto: Landtagsverwaltung)
  • Valeriy Bunimov, Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern, berichtet den Ausschussmitgliedern vom Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde nach dem Mauerfall 1989. (Foto: Landtagsverwaltung)
  • Der Landesrabbiner Yuriy Kadnykov erklärt den Ausschussmitgliedern die Lesung einer 300 Jahre alten Tora (Foto: Landtagsverwaltung)

Der Landesrabbiner Yuriy Kadnykov empfing die Mitglieder und schilderte sehr eindrücklich die Geschichte der Jüdinnen und Juden, die seit dem 17. Jahrhundert in Schwerin lebten. Die erste, aus privaten Mitteln finanzierte Synagoge sei 1773 auf dem Hinterhof der ehemaligen Schlachterstraße 3 eingeweiht worden. Mit den Beschlüssen des Wiener Kongresses 1815 hätten Menschen jüdischen Glaubens wesentlich mehr Rechte bekommen, wie z. B. den Zugang zu Universitäten, sodass die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder in Schwerin angestiegen sei. 1819 habe die Gemeinde bei den sogenannten Hep-Hep-Krawallen antisemitische Übergriffe erfahren. Im weiteren Verlauf habe die gesellschaftliche Toleranz gegenüberden Schweriner Jüdinnen und Juden zugenommen, sodass 1825 die erste Synagoge durch eine größere Synagoge ersetzt und eingeweiht worden sei. Darüber hinaus seien Wohnräume, u. a. für den Landesrabbiner um die Synagoge herum errichtet worden. Ebenso hätten die Schweriner Juden 1849 das Bürgerrecht erhalten. Er führte weiter aus, dass mit der Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 mehr Menschen, auch jüdischen Glaubens, nach Schwerin gekommen seien, sodass die zweite Synagoge im Hof weitergebaut und mit einer Zwiebelkuppel erweitert worden sei. Während der Reichskristallnacht 1938 sei die Schweriner Synagoge durch Nationalsozialisten verwüstet und zerstört worden. Die Gemeindemitglieder hätten nach dem Pogrom die Synagoge eigenhändig abtragen müssen. Die wenigen in der Stadt verbliebenen Juden seien gezwungen worden ihre Wohnungen zu räumen und in die Räumlichkeiten der jüdischen Gemeinde am Schlachtermarkt zu ziehen. 1942 seien sie nach Auschwitz und Theresienstadt deportiert worden. Keiner der Bewohner habe den Holocaust überlebt. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges habe es noch knapp 100 Juden in Mecklenburg gegeben. Die langsame Wiederbelebung habe die Gemeinde erst langsam erfahren und 1947 die heutigen Räumlichkeiten nach der Enteignung durch die Nationalsozialisten zurückbekommen.

Valeriy Bunimov, eines der ältesten Gemeindemitglieder und Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern, berichtete den Ausschussmitgliedern vom Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde nach dem Mauerfall 1989. Zu Zeiten der politischen Wende habe es neben Valeriy Bunimov nur noch sieben Gemeindemitglieder gegeben. Es sei schwierig gewesen die jüdische Gemeinde in Schwerin wiederaufzubauen, man habe aber sehr viel Unterstützung erfahren. Auch wenn Schwerin nicht die größte Gemeinde sei, sei sie dennoch bedeutend. Dies habe sich vor allem an der prominenten Unterstützung zum Wiederaufbau von beispielsweise Ignatz Bubis, dem ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden gezeigt. Bubis habe sehr viel dazu beigetragen, dass die jüdische Gemeinde in Schwerin wiederaufgebaut werden konnte.

Der Landesrabbiner berichtete weiter, dass der Neubau der Synagoge am historischen Standort der alten Synagoge 2007 beschlossen worden sei. Während der Ausgrabungen 2008 habe man Grundmauern und Fragmente der alten Synagoge gefunden, die in den Neubau der Synagoge integriert worden seien. Die Zahl der Mitglieder lag im Jahr 2005 bei 1.000 Mitgliedern, jedoch seien die Mitgliedzahlen seitdem rückläufig. In Mecklenburg-Vorpommern gebe es 1.100 Mitglieder, wovon 610 Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Schwerin angehörten. Die meisten Mitglieder seien aus Osteuropa nach Mecklenburg-Vorpommern immigriert. Gottesdienste würden in vier Sprachen abgehalten: hebräisch, aramäisch, russisch und deutsch. Dabei werde im Gegensatz zu den evangelischen oder katholischen Gottesdiensten chronologisch im Gebetsbuch gelesen. In diesem Zusammenhang zeigte der Landesrabbiner den Ausschussmitgliedern eine mehr als 300 Jahre alte Thora-Rolle und erläuterte anhand dieser die Lesungen.

Vor dem Hintergrund des Massakers der Hamas-Terroristen in Israel am 7. Oktober 2023 habe die jüdische Gemeinde viel Solidarität und Unterstützung erfahren. Es gebe ein Maßnahmenkonzept und die Polizei patrouilliere regelmäßig. Die Möglichkeit eines dauerhaften Schutzes werde derzeit mit der Landesregierung erörtert. Neben der Angst vor den Folgen des Massakers sowie der Trauer um die Opfer begleite die Mitglieder auch die Sorge um die Reaktion der Gesellschaft. Yuriy Kadynkov führte aus, dass Antisemitismus viele Facetten habe. So gebe es vor Ort noch eine starke antiisraelische Präsenz, die noch aus DDR-Zeiten herrühre. Ebenso sei der vorherrschende Islamismus zu nennen. Darüber hinaus gebe es Gruppen in Mecklenburg-Vorpommern, die offen rechtsextrem seien und dies auch lebten. Umso wichtiger sei die Arbeit des Beauftragten für jüdisches Leben in M-V und gegen Antisemitismus, mit dem man enge Kontakte und einen guten Austausch pflege. Darüber hinaus gehöre die jüdische Gemeinde dem interreligiösen Dialog an, einem Zusammenschluss verschiedener Religionsgemeinschaften.

Abschließend machte der Landesrabbiner noch auf die Bedeutung des stattfindenden Chanukka-Festes für die jüdische Gemeinde aufmerksam, die das jüdische Lichterfest acht Tage lang feiere. Jeden Tag werde an dem achtarmigen Leuchter Chanukkia ein Licht entzündet. Das Fest stehe für den Glauben an ein Wunder und die Kraft des Lichtes in dunklen Stunden. Er betonte, dass Chanukka vor allem in diesen Tagen die Hoffnung für eine friedlichere Zukunft mit sich trage.

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