Drei Dekaden intensiver zwischenparlamentarischer Kooperation im Ostseeraum: Die Ostseeparlamentarierkonferenz feiert ihr 30. Jubiläum
Am 30. August 2021 kamen mehr als 150 Abgeordnete, hochrangige Gäste und Sachverständige in digitalem Rahmen zusammen, um das 30. Jubiläum der Ostseeparlamentarierkonferenz (Baltic Sea Parliamentary Conference, BSPC) zu begehen und die aktuellsten politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen im Ostseeraum zu besprechen.
Zu den BSPC-Delegationsmitgliedern des Landtages Mecklenburg-Vorpommern zählen Frau Präsidentin Birgit Hesse, Frau Erste Vizepräsidentin Beate Schlupp, die Abgeordneten Herr Dirk Friedriszik, Herr Nikolaus Kramer, Herr Karsten Kolbe sowie Herr Jochen Schulte als maritimer Berichterstatter, zudem Herr Philipp da Cunha als Mitglied der BSPC-Arbeitsgruppe „Klimawandel und Biodiversität“.
Nachhaltige Demokratie und Medienfreiheit im Fokus
Das Motto der diesjährigen Konferenz lautete „Nachhaltige Demokratie – Entgegnung und Anpassung an eine Welt im Wandel“. Mit einem Schlaglicht auf das hundertste Jubiläum der Demokratie in Schweden wurde das Thema gleich zu Beginn der Konferenz von dem Vorsitzenden des Schwedischen Reichstages, Dr. Andreas Norlén, der schwedischen Außenministerin, Frau Ann Linde, und dem aktuellen Präsidenten der Ostseeparlamentarierkonferenz, Herrn Pyry Niemi, hervorgehoben. In den Eröffnungsreden wurde wiederholt unterstrichen, dass demokratische Werte, Freiheiten und Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit darstellen und ständige, intensive Arbeit benötigen – sowohl lokal als auch international.
So wies in der ersten Sitzung die norwegische Außenministerin, Frau Ine Eriksen Søreide, auf die Wichtigkeit der Stärkung globaler Governance-Strukturen sowie einer Unterstützung der Zivilgesellschaft angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Polarisierung und des wachsenden Misstrauens in demokratische Institutionen hin. Anschließend betonte Herr Michel Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, dass Demokratie gemeinsamer Nenner für Kooperation im Ostseeraum sein müsse.
Im Hinblick auf die Situation in Belarus und Afghanistan sowie sich verschärfende Gefahren für Meinungsfreiheit weltweit wurde im zweiten Sitzungsabschnitt das komplexe Verhältnis von Digitalisierung und Demokratie diskutiert. Die Entwicklung sozialer Medien und digitaler Tools führe einerseits zur Entstehung neuer Formen politischer Partizipation, könne jedoch durch die schnellere und weite Verbreitung von Desinformationen bestehende demokratische Institutionen destabilisieren. Um Demokratie und Medienfreiheit im digitalen Zeitalter zu bewahren und zu stärken, brauche es Normen und Gesetze, mehr Transparenz und Pluralität auf Onlineplattformen sowie eine Förderung von gutem Journalismus und der Medienkompetenz in der Bevölkerung. Es gelte, Menschenrechte sowohl in „realer“, als auch in „virtueller“ Welt zu schützen.
Klimawandel und Umweltschutz
Das Thema „Klimawandel und biologische Vielfalt“ gewinne – auch angesichts des aktuellen Berichts des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) – herausragende Bedeutung und stelle mehr als je eine gemeinsame Herausforderung für alle Ostseestaaten dar – darin waren sich alle Teilnehmenden einig. Bezugnehmend auf die Schwerpunkte des deutschen Vorsitzes bei der Helsinki Kommission (HELCOM) betonte die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Frau Svenja Schulze, die Notwendigkeit einer drastischen Reduktion der Kohlenstoffemissionen sowie der Erweiterung von Meeresschutzgebieten. Die erfolgreiche Umsetzung der im neuen Ostseeaktionsplan (Baltic Sea Action Plan, BSAP) gesetzten Ziele werde parteiübergreifendes politisches Handeln im gesamten Ostseeraum erfordern. Die 2019 gegründete BSPC-Arbeitsgruppe für Klimawandel und Biodiversität wird diesen Themen für zwei weitere Jahre besondere Aufmerksamkeit widmen. Auf der diesjährigen Konferenz stellte zunächst die Arbeitsgruppenvorsitzende, Frau Cecilie Tenfjord-Toftby, den Zwischenbericht vor, in dem die Ergebnisse der Konsultationen mit Fachleuten sowie die einschlägigen Forderungen und Empfehlungen an die Regierungen der Ostseestaaten zusammengefasst werden. Für den Landtag Mecklenburg-Vorpommern wirken Frau Beate Schlupp und Herr Philipp da Cunha an der Arbeitsgruppe mit. Künftig sollen auch die Empfehlungen des am 28. August stattgefundenen Jugendforums berücksichtigt werden, die sich vor allem auf klimafreundliche Agrarwirtschaft sowie grüne Energie und Verkehrsmodelle fokussierten.
Neben gemeinsamen internationalen und nationalen Anstrengungen brauche es lokale Teilhabe und Engagement vor Ort. In diesem Zusammenhang stellte Herr Erwin Sellering, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV, die Arbeit der durch den Landtag eingesetzten Stiftung vor. Ihre Ziele seien die Förderung von zivilgesellschaftlichen und kommunalen Naturschutzprojekten und Initiativen sowie die Klimainformationsarbeit. Im Vorfeld der Ostseeparlamentarierkonferenz organisierte die Stiftung eine öffentliche Veranstaltung zur Munitionsbergung in der Ostsee, bei der Frau Beate Schlupp und Herr Philipp da Cunha über die einschlägigen Aktivitäten und Forderungen der BSPC berichteten.
Kooperation trotz Differenzen
Die Lehren aus der Vergangenheit und Prioritäten für die Zukunft der Ostseekooperation wurden sowohl während der Generaldebatte als auch der feierlichen Sitzung zum 30. Jubiläum der BSPC thematisiert. So wurde von den künftigen und ehemaligen Präsidentinnen und Präsidenten der Ostseeparlamentarierkonferenz der Wert des verständigungsorientierten Dialogs trotz Meinungsverschiedenheiten hervorgehoben. Die zwischenparlamentarische Zusammenarbeit spiele gerade in Krisenzeiten eine wichtige Rolle, weil dadurch ein Austausch über gemeinsame Probleme und Herausforderungen erfolge und gleichzeitig politischer Druck zu deren Lösung auf die Exekutive ausgeübt werde.
Die Arbeitsgruppen der Ostseeparlamentarierkonferenz sowie die Berichterstattungsmandate stellen in diesem Zusammenhang ein wichtiges Instrument dar. So wurde im Rahmen der vierten Sitzung der Abschussbericht zu versenkter Munition in der Ostsee durch Herrn Peter Stein, MdB vorgestellt. Entsprechende Forderungen, wie z. B. einer Etablierung eines internationalen Geberfonds für die gemeinsame Lösung des Problems der Munitionsaltlasten im Meer, wurden auch in der diesjährigen Resolution vorgebracht.
Herr Jochen Schulte, MdL stellte den Bericht über die integrierte Meerespolitik vor, in dem er auf die Bedeutung der maritimen Wirtschaft für globalen Handel, die Herausforderungen für die Frachtschifffahrt im Zuge der COVID-19-Pandemie, aber mit Blick auf die Entwicklung von alternativen Treibstoffen und innovative Hafentechnologien auch auf die Möglichkeiten zur nachhaltigen Transformation hinwies.
Auch wenn der Prozess der Konsensfindung nicht immer einfach sei, so der BSPC-Präsident Pyry Niemi, habe die Ostseeparlamentarierkonferenz immer wieder ihre Fähigkeit bewiesen, Differenzen zu überwinden, und so auch in diesem Jahr eine gemeinsame Resolution mit Fokus auf Kooperation im Ostseeraum, Demokratie und Meinungsfreiheit sowie Meeresschutz verabschieden können.
Ein detaillierter Konferenzbericht (in englischer Sprache), die Konferenzresolution und eine Jubiläumsbroschüre inklusive Gratulationsschreiben der Vorsitzenden der Mitgliedsparlamente sowie Berichte zu den vergangenen neunundzwanzig Konferenzen sind auf der BSPC-Seite zugänglich.