Die 34. Ostseeparlamentarierkonferenz in Mariehamn, Åland: Zusammenarbeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit
Vom 24. bis 26. August richtete das Parlament der finnischen autonomen Region Åland die 34. Ostseeparlamentarierkonferenz (Baltic Sea Parliamentary Conference, BSPC) in Mariehamn aus. Unter dem Motto „Die Ostsee – unsere Lebensader: Zusammenarbeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit“ befasste sich die diesjährige BSPC unter dem Vorsitz von Alfons Röblom mit einigen der wichtigsten strategischen und ökologischen Fragen unserer Zeit. Der Fokus lag auf dem Schutz kritischer maritimer Infrastruktur, der Stärkung demokratischer Resilienz, gemeinsamer Verantwortung für das Ökosystem, nachhaltiger Schifffahrt, Energiesicherheit sowie der Förderung von Jugendbeteiligung. Seitens des Landtages nahmen unter Leitung der Ersten Vizepräsidentin Beate Schlupp die Abgeordneten Philipp da Cunha, Nadine Julitz, Jens-Holger Schneider und Anne Shepley an der Veranstaltung teil.
Keine Rückkehr zur alten Sicherheitsordnung
Zu Beginn der Konferenz hielt der Präsident der Republik Finnland, Alexander Stubb, die Eröffnungsrede und stellte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Präsident Stubb bezeichnete die Aggression als „Wendepunkt in der Weltgeschichte“ und betonte, dass es keine Rückkehr zur alten Ordnung geben könne. „Russland hat gegen die Grundprinzipien des Völkerrechts verstoßen, und das darf nicht ohne Folgen bleiben“, unterstrich er und begrüßte die beispiellose Einigkeit unter den Ostseeanrainerstaaten. Er forderte gemeinsame Anstrengungen zum Schutz kritischer Unterwasserinfrastrukturen vor hybriden Bedrohungen, darunter auch der sogenannten „Schattenflotte“ Russlands.
Neben Präsident Stubb hielten auch Julija Nawalnaja, Witwe des verstorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, Egils Levits, ehemaliger Präsident Lettlands, und Toomas Hendrik Ilves, ehemaliger Präsident Estlands, Grundsatzreden. Ihre Teilnahme unterstrich das breite Engagement führender Persönlichkeiten Europas für Sicherheit, Demokratie und Zusammenarbeit im Ostseeraum.
Mehrere Rednerinnen und Redner hoben die symbolische Bedeutung des demilitarisierten Archipels Åland als Inseln des Friedens hervor. „Sicherheit wird durch Zusammenarbeit und Vertrauen geschaffen“, betonte Antoņina Ņenaševa, Vizepräsidentin des lettischen Parlaments. Die Ostseestaaten müssten Verantwortung für die regionale Sicherheit übernehmen. Der Krieg habe gezeigt, dass Aggression weitergehe, wenn Russland nicht gestoppt werde. Julija Nawalnaja erklärte, dass Regeln nur dann wirksam seien, wenn Verstöße auch sanktioniert würden. Wladimir Putin glaube nicht an Frieden und Zusammenarbeit, sondern verstehe nur die Sprache der Gewalt. Dennoch repräsentiere er nicht das ganze Land – es gebe ein Russland, das Hoffnung bewahre und weiter an Zusammenarbeit mit Europa glaube.
Egils Levits hob hervor, dass sich die geopolitische Lage drastisch verändert habe. Russland verfolge eine aggressive imperialistische Politik, die auf Desinformationen, hybride Bedrohungen, Cyberangriffe, Sabotage sowie Militärpräsenz und -manöver setze. Weitere Herausforderungen für Europa und die Ostseeregion seien die Spaltung des Westens und die Krise der liberalen Demokratie. Europa müsse zu einem globalen Akteur werden: „Wer nicht über seine eigenen Grenzen hinausblicken kann, sieht nicht das ganze Bild.“ Abschreckung sei die beste Strategie gegenüber Russland – dies sei „die Logik des Friedens, wenn eine Partei eine aggressive Ideologie verfolgt.“
Im 50. Jubiläumsjahr der Schlussakte von Helsinki, die einst darauf abzielte, Staaten während des Kalten Krieges für den Frieden zusammenzubringen, sei es heute schwer, diese Werte aufrechtzuerhalten, sagte Pekka Haavisto, ehemaliger Außenminister Finnlands. „Wir stehen jetzt an der Schwelle zu einer neuen Ordnung; wir sind uns noch nicht sicher, wie wir sie nennen sollen.“ Klar sei jedoch: Grenzen in Europa dürften nicht mit Gewalt verschoben werden und jedes Land müsse frei über seine Bündnisse entscheiden. Die wichtigste Frage sei nun: „Was kommt danach?“
Auch der Ostseerat (Council of the Baltic Sea States, CBSS) müsse sich angesichts der neuen geopolitischen Lage neu ausrichten. Toomas Hendrik Ilves stellte in diesem Zusammenhang einen Bericht zur Zukunft des CBSS vor, den er gemeinsam mit Gabrielius Landsbergis für den estnischen Vorsitz erarbeitet hatte. Der Bericht empfiehlt eine stärkere Fokussierung auf Sicherheitsfragen und den Schutz kritischer Infrastruktur sowie Maßnahmen gegen die russische Schattenflotte, die Instrumentalisierung illegaler Migration und weitere hybride Bedrohungen wie GPS-Störungen, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit – Schlüssel für eine gesunde Ostseeregion
Sicherheits- und Klimafragen seien eng miteinander verbunden – etwa im Hinblick auf potenzielle Ölverschmutzungen durch Tanker der Schattenflotte oder Europas Abhängigkeit von russischem Öl und Gas. Landtagsabgeordneter Philipp da Cunha erinnerte als BSPC-Berichterstatter für Klimawandel und Biodiversität daran, dass laut Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) Staaten menschenrechtlich verpflichtet seien, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Die Ostseeregion könne ein globales Vorbild für internationale, sektorenübergreifende und wissenschaftlich fundierte Zusammenarbeit sein.
Philipp da Cunha hob die lange Tradition wissenschaftlich gestützten Umweltschutzes und technologischer Innovation in der Region hervor, die unter anderem durch die Helsinki-Kommission (HELCOM) geprägt sei. Auf Forderungen der letztjährigen BSPC-Resolution hätten nationale und regionale Regierungen über Fortschritte bei der Verringerung der Eutrophierung, dem Ausbau von Meeresschutzgebieten, der Förderung nachhaltiger blauer Wirtschaft, der Verbesserung der Seeverkehrsnachhaltigkeit und der Entwicklung umweltfreundlicher Schifffahrtstechnologien berichtet. „Der Weg nach vorn ist klar: Auf bestehender Zusammenarbeit aufbauen, die Verbindung zwischen Wissenschaft und Politik stärken und sicherstellen, dass Verpflichtungen in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, die reale Ergebnisse bringen“, so da Cunha.
Auch Rüdiger Strempel, Exekutivsekretär von HELCOM, betonte, dass der dritte holistische Zustandsbericht (State of the Baltic Sea 2023) gezeigt habe, dass die vereinbarten Maßnahmen des Baltic Sea Action Plans den ökologischen Zustand der Ostsee verbessern könnten – sofern sie vollständig umgesetzt würden. Im März dieses Jahres nahm Herr Strempel an einem Expertengespräch mit den Mitgliedern des Agrarausschusses des Landtages teil und unterstrich die entscheidende Bedeutung internationaler Zusammenarbeit, wissenschaftsbasierter Maßnahmen und des politischen Willens.
Generationsübergreifender Dialog
Klimaschutz stand auch im Fokus des vor der Jahreskonferenz veranstalteten Parlamentarischen Jugendforums der Ostsee (BSPYF). Dieses mündete in einen generationsübergreifenden Dialog am ersten Konferenztag und brachte Resolutionsempfehlungen zu Jugendbeteiligung, Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, Schutz von Ökosystemen und psychischer Gesundheitsversorgung hervor.
Im kommenden Jahr soll Jugendbeteiligung noch stärker betont werden. Landtagspräsidentin Kristina Herbst stellte in ihrer Antrittsrede das Leitmotiv der schleswig-holsteinischen BSPC-Präsidentschaft vor: „Youth.Set.Sail – Für eine florierende Ostseeregion“.
Resolution der 34. Ostseeparlamentarierkonferenz
Wie üblich zielte die Jahreskonferenz darauf ab, gemeinsame Empfehlungen an nationale und regionale Regierungen sowie internationale Organisationen zu formulieren. Nach intensiven Beratungen wurde eine Resolution (PDF - 333 KB) verabschiedet, die Forderungen zur Stärkung demokratischer, ökologischer und energiepolitischer Resilienz enthält, sowie die Abschlussempfehlungen der BSPC-Arbeitsgruppe für Energiesicherheit und -unabhängigkeit, Resilienz und Konnektivität.
Die Konferenz markierte außerdem einen Führungswechsel: Bodo Bahr beendete seine elfjährige Amtszeit als Generalsekretär und wurde von Jan Diedrichsen abgelöst. In einem bewegenden Grußwort ging Janis Vucans (Präsident Baltic Assembly) auf seine Verdienste ein.
Sondermandate des Landtages
Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern arbeitet im Rahmen der Ostseeparlamentarierkonferenz mit zehn nationalen Parlamenten, sieben regionalen Parlamenten und drei internationalen parlamentarischen Organisationen der Ostseeregion zusammen. Die Abgeordneten des Landtages übernehmen zudem eine Reihe von Sondermandaten für die Konferenz. Die Landtagspräsidentin Birgit Hesse hat im Vorfeld der Jahreskonferenz einen Bericht zum Themenkomplex nachhaltiger Tourismus in der Ostseeregion vorgelegt. Die Erste Vizepräsidentin Beate Schlupp hat in ihrer Funktion als Beobachterin bei der Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee (HELCOM) einen schriftlichen Bericht über die laufende Arbeit der Organisation vorbereitet. Philipp da Cunha, MdL, informierte die Jahreskonferenz über die Umsetzung einschlägiger Forderungen zur Eindämmung des Klimawandels und zum Schutz der Artenvielfalt und reichte einen schriftlichen Bericht ein. Damit bekräftigte der Landtag Mecklenburg-Vorpommern sein langfristiges Engagement für eine starke und nachhaltige Ostseeregion.